laut.de-Kritik
Mit dem Panzer unterwegs zum Bäcker.
Review von Dani Fromm"Langsam kommt es mir so vor, als ob jeder den selben Text hat." Wenn RidOne und See mit Donnerhall den Stab über "Deutsche Rapper" brechen, sprechen sie mir damit aus allertiefster Seele.
Schade bloß, dass sie zwar den im deutschen Hip Hop allgegenwärtigen Einheitsbrei an den Pranger stellen, dem selbst - zumindest inhaltlich - aber nicht gerade viel entgegen zu setzen haben. Westberlin ist toll, man selbst noch toller. Alle, die das nicht erkennen, können zusammen mit ohnehin allen anderen kacken gehen.
Statt auf Kritik (auf Tanz sowieso nicht) liegt der Fokus bei Kritische Disstanz eher auf dem Diss. Mit konkreter Adressierung desselben halten sich RidOne und See aber gar nicht erst auf. Sie pinkeln einmal in die Runde. Die richtigen Hosenbeine werden dann schon dabei sein.
Zu den Erklärungen der eigenen ("Imperium", "Neue Bomben", "Kreuzbergs Dream Team") und Kreuzbergs Großartigkeit ("Kreuzberger Sound", "Westberlin") gesellen sich recht desillusionierte Blicke auf das wenige bisher Erreichte ("An Diesen Tagen", "Zweifel & Angst"), nichtsdestotrotz aber auch störrische Beteuerungen der eigenen Zähigkeit ("Pflichtgefühl", "Ich Haue Auf Die Kacke").
"Gib Mir Meinen Suff", und dann sind wir auch fast schon "Am Ende". Dafür zieht CaseBeatz noch schnell ein theatralisches Instrumental aus dem Hut, zu dem Kritische Disstanz zusammen mit Freunden von Akte über König Quasi bis hin zu Vero und Zwang noch einmal in Mannschaftsstärke aufmarschieren und Nackenschläge verteilen.
Aus dem großkotzigen Rahmen fällt einzig "Kind Ohne Hoffnung" heraus. Mit Schützenhilfe des Atzenkeepers MC Bogy beleuchten RidOne und See die Teufelskreise, die eine ganze verwahrloste Generation ohne jede Perspektive gefangen halten. "Die Liebe ist hier gestorben, der Hass hat sie begraben" - nur die Schaufel, um das verschüttete Pflänzchen wieder auszubuddeln, die haben Kritische Disstanz auch nicht im Gepäck.
Thematische Vielfalt sieht anders aus, Originalität auch. Dennoch trifft "Stimme Des Volkes" einen Nerv. "Im kalten Krieg pumpen wir die Melodien". Die Berliner surfen zwischen reichlich vergossenen "Blut, Schweiß und Tränen" auf überaus eingängigen Wellen, wenn sie nicht gerade mit dem Panzer zum Bäcker unterwegs sind.
Beide Jungs beherrschen ihr Handwerk und sprechen unzweifelhaft die Sprache ihrer (wohl zum Großteil Kreuzberger) Klientel. Wer sich versucht sieht, sich über Sees Lispeln lustig zu machen, sollte im Sinn behalten, dass auch ganz andere gediegen nuscheln. Tones ausgefuchste Reime spielen zwar in einer deutlich höheren Liga. Doch gerade solo beweist See zu schmissig gepitchtem Gesangssample in "Ich Haue Auf Die Kacke", dass er seinen Tracktitel durchaus gerecht wird.
RidOnes Alleingang in "An Diesen Tagen" fällt deutlich nachdenklicher aus. Von ganz tief unten analysiert er seine raren Höhen und zahlreichen Tiefen. Klar, dass hier am Ende das fast schon obligatorische Gewitter nieder gehen muss. AkteOne benutzt für "Kind Ohne Hoffnung" - wehender Wind, melancholische Streicher, Klavier - die üblichen Versatzstücke aus der Jetzt-wirds-tragisch-Schublade des Beatbaukastens. Auch die Untermalung von "Gib Mir Meinen Suff" gerät viel zu monoton. "Ich kann auch ohne Spaß saufen." Klar, ich auch - aber wozu?
An den meisten anderen Stellen stimmen hingegen die Kulissen von vorne bis hinten. Die Druckwellen von "Neue Bomben" unterstreichen deren Sprengkraft. Ansatzlos, völlig ohne Vorwarnung, springt einen Worocs Beat mit dem "Kreuzberger Sound" an, ehe CaseBeatz einen wenig später mit der "Stimme Des Volkes" vollends überrollt. Für "Halt Den Mund" flirren und fiepen Elektrosounds über die schiebenden Synthies. Katil61s türkischer Gastpart passt bestens. Den größten Wurf landet Chillerdt in "Deutsche Rapper". Über der finster grollenden Basis pfeifen herannahende Geschosse wie Feuerwerksraketen, darunter brabbelt der geschmähte Kindergarten: topp!
"Das ist nicht meine Welt. Ich hab' andere Probleme, Mann!" Wenn die Herren mit der Kritischen Disstanz nun das eine oder andere davon in Worte packen und sich dafür zwei, drei Wir-sind-die-Geilsten-die-Szene-wird-gefickt-Allgemeinplätze verkneifen könnten, dann wäre noch lange nicht "Zeit Zu Gehen ...".
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