laut.de-Kritik
Die Untiefen des Untergrunds.
Review von Anastasia HartleibSpätestens wenn die Namen der MCs von Lo Pro fallen, steht fest: Da kommt was direkt aus den Untiefen des Untergrunds. "Die Allercoolsten Auf'm Friedhof" ist das zweite Werk von Mayutsch, Saures Wiesel und Beatmaker Brik180, die aus dem Niemandsland zwischen Bielefeld und Göttingen stammen.
Glasklar also, warum die drei ihr Album mit den Worten "Ich komme aus der Vorstadt" einleiten. Geboten werden lässiger Boombap, ein schicker Flow und Texte, die mal persönlich und mal sozialkritisch ausfallen. Straight Hip Hop at its finest, sozusagen.
Die Beats verdienen das Prädikat 'fein'. Brik180 hat ein Gespür für Samples, loopt verspulte Jazz- und Soul-Schnipsel auf warmen Drums und bastelt eine angenehm groovende Atmosphäre, die das passende Gegengewicht zu Wiesels Stimme darstellt.
Tatsächlich hört man fast ausschließlich seine Stimme auf den acht Songs. Entweder ähneln sich die beiden MCs so stark, dass ein Unterschied nur schwer auszumachen ist, oder Mayutsch hat für dieses Album gerade mal einen Part beigesteuert, der auf "Block" zu hören ist und stark an den Haftbefehl von vor "Blockplatin" erinnert. Dass sich viele Lines auf eine einzelnen Protagonisten beziehen, deutet ebenfalls darauf hin, dass es sich um das lyrische Werk eines MCs handelt. Und der scheint ziemlich aufgewühlt.
Die Texte kreisen um die eigene Vergangenheit, Armut, innere Leere und Taubheit gegenüber einer Gesellschaft, in der Neonazis und Rassisten als 'normal' hingenommen werden. Der Anti-AfD-Song spielt auf die Vorkommnisse in Chemnitz im Jahr 2018 an, wo es nach einem Messerangriff zu Demonstrationen und gewalttätigen Ausschreitungen rechter Gruppierungen kam und stellt die deutlichste politische Positionierung von Lo Pro dar.
Auf "Die Allercoolsten Auf'm Friedhof" finden Freunde des gepflegten Boombaps unterm Strich kurzweilige Unterhaltung und im Sauren Wiesel einen authentischen Schreiber, der die düsteren Orte seiner Seele in schöne Bilder verpackt.
1 Kommentar mit 9 Antworten
Naja, wenn das nur "eine Messerattacke" war, haben die Rechten im Anschluss auch nur ein "bisschen gepöbelt"
Was, wenn nicht eine Messerattacke, soll es denn gewesen sein?
Messerattacke schreiben (ohne die letale Konsequenz zu erwähnen) geht schon klar. Aber dann ist es nur fair die Demonstration auch zu euphemisieren
"Messerangriff". Macht in der Sache keinen Unterschied, aber richtig zitieren ist schon besser, hm?
Jetzt zum Inhaltlichen: Ist "Messerangriff" ein Euphemismus? Meiner Meinung nach nicht, da es nicht beschönigend und verfälschend ist. "Messerunfall" wäre ein Euphemismus. Sicherlich wird ein Teil der Geschichte ausgelassen, aber es wird immer etwas ausgelassen. Genauso wird bei "Demonstrationen und gewalttätigen Ausschreitungen" ausgelassen, dass es (Schwer-) Verletzte gab, Polizisten und Medienvertreter angegriffen wurden und Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen getragen wurden.
Ja, Messerangriff, hast Recht Messerangriff so ohne weitere Erklärung, empfinde ich, als bestünde große Wahrscheinlichkeit, dass da keiner schwer verletzt wurde bzw verreckt ist. Die an sich deutlich negativer konnotierten Reaktionen der Öffentlichkeit scheinen in diesem Kontext grundlos und arbiträr. Ich sehe allerdings eine gewisse Korrelation zwischen der Intensität der Demonstrationen)"Ausschreitungen" und der Tatsache, dass der Dude da tot gemessert wurde. Wäre es bei dem Messerangriff geblieben und der deutsch-kubaner wäre nach der Naht seiner Schnittwunde ohne weitere folgen nach Hause zu seiner Familie gegangen, hätte es mutmaßlich keine Demonstrationen gegeben. So wie es nach den ganzen letzten Wochen der langen Messer, die keine Todesopfer gefordert haben, es bei wütendem getweete in der Echokammer geblieben wäre
Wenn du allerdings Demonstrationen ohne und Ausschreitungen mit Anführungszeichen schreibst, implizierst du, dass es keine gewalttätigen Ausschreitungen gegeben hätte.
Das jemand gestorben ist, ist natürlich auch ein Grund dafür, dass das so eskaliert ist. Du bist aber zu schau genug, um an monokausale Erklärungen zu glauben. Ein weiterer Grund, dass das so eskaliert ist, ist die kriminelle Veröffentlichung vorläufiger Ermittlungsergebnisse der Polizei, Öl ins Feuer von u.a. der AfD und dass der Typ gestorben ist und sich deshalb nicht selbst gegen die Instrumentalisierung des Verbrechens gegen ihn wehren konnte.
"Messerangriff so ohne weitere Erklärung, empfinde ich, als bestünde große Wahrscheinlichkeit, dass da keiner schwer verletzt wurde bzw verreckt ist."
Ein Messerangriff ist immer mindestens (versuchte) schwere Körperverletzung und ich empfinde das als sehr bedrohlich und würde eher davon ausgehen, dass jemand verletzt wurde. Damit niemand verletzt wird muss sich entweder der Täter sehr dumm anstellen oder das Opfer sich suffizient zu verteidigen wissen, bzw. die richtige Mischung aus beidem.
Mhh, ich weiß jetzt nicht ob "Messerangriff" alleine jetzt euphemistisch ist, finde aber schon, dass man die Todesfolge zwecks genauerer Information schon erwähnen kann/sollte. Wobei der Fall hier sicherlich prominent genug ist, dass wowieso jeder weiß, worum es geht.
"kann" auf jeden Fall, "soll" vielleicht, "muss" nicht. Aus genau den von dir genannten Gründen. Ist aber nur meine Meinung.
Okidoki.