laut.de-Kritik
Die Rettungsleine für ertrinkende Dickerchen.
Review von Bine JankowskiNach ihrem Debütalbum "Just Backwards Of Square" bekamen Lowgold schnell die "Retter des britischen Songwritings"-Plakette ans Revers geheftet. Auf die zweite Platte, die die hoch gelegte Verkaufzahlenlatte leider nicht mal auf Zehenspitzen erreichte, blickt Gitarrist und Sänger Darren Ford mit ernüchterndem Sarkasmus zurück: "Als würde man einem missverstandenen, fetten Kind zusehen, wie es zu weit aufs Meer hinaus schwimmt." Ihr dritter Versuch "Keep Music Miserable" hat zum Glück überhaupt nichts mit ertrinkenden Dickerchen am Hut!
Nachdem ihr ehemaliges Label Sanctuary den Musikern den Rücken kehrte und mit der erhofften Rettungsleine für den schwimmflügellosen Klops abzog, gründeten Lowgold kurzerhand ihr eigenes Label Dedted. Der Selbsterhaltungstrieb hat sich für Darren Ford (nach eigenen Angaben zuständig für: Teebeutel, Milch und Zucker), Daniel Symons (Kessel, Teetassen und -löffel) und Miles Willey (Kekse) gelohnt, denn am 18. November erreichen sie mit dem rettenden Schwimmzug "Keep Music Miserable" und ganzen 29 Songs das Land.
Auf der Doppel-CD schmeißen die Londoner Vorstadtjungs alles in den Topf, was sie in ihrer Vorratskammer finden: Knackfrisches Liedgut, würzige Live-Mitschnitte und die komplette B-Seiten-Sammlung. Kurz aufgekocht und ordentlich umgerührt ergibt das eine leckere Mischung! Und eine sehr spezielle dazu, denn "Keep Music Miserable" hält, was auf ihrem Namensschildchen steht. Lowgold hegen und pflegen ihren typisch-melancholischen Beigeschmack und zaubern weiterhin märchenhaft schöne Melodien.
Scheibe Numero Uno erhebt sich etwas gemächlich aus den Startlöchern. Mit "Every Train" und "Make Over, Make Up" liegt ein seichtes Warm-Up-Programm auf dem Plattenteller. "Time Reclaims All Frontiers" bringt die Gitarren dann endlich auf Betriebstemperatur und schüttelt den Schlaf aus den Verstärkern. Das hebelt den Lautstärkeregler fast schon von Geisterhand um. Der Refrain von "Burn A Hole" nistet sich derweil gerne im Innenohr ein, Graham Coxon (Blur) haucht dem gefühlvollen "Beauty Die Young" neues Leben ein. Bei "See How The World's Moved On" wirbelt auf den Schwingen dezent gesetzter Gitarrennoten Loungeatmosphäre durch die Röhren, und mit dem musikalischen Wurmfortsatz (nicht wirklich notwendig, aber trotzdem da) "Miles Is My Favourite" neigt sich die erste Platte auch schon ihrem Ende entgegen.
Der zweite Opener "I'd Rather Fuck Up Than Miss Out" lehnt sich aus dem weezerischen Fenster, ein Buddy Holly auf Morphium? Eine Ansammlung von bösen F-Wörtern auf schön verzerrter Gitarrenmucke serviert "Can't Say No". Dank des einfachen lyrischen Strickmusters schaffe ich es sogar, mir den Text trotz präseniler Demenz und Mangel an präpupertärem Humor zu merken. "B-Land" und "Atlantic Pazifik" könnten stilistisch nicht unterschiedlicher sein, ersteres erweist sich als entspannte Klanglandschaft mit willkommen verhangenem Himmel, letzteres als Hommage an den alternativen Amirock. Trotzdem kommen beide perfekt ohne Darren Fords Vokalisierung aus und bereichern die Platte. Nach zwei weiteren Instrumentalstücken steht wieder "Beauty Die Young" auf dem Plan, diesmal live und in Farbe.
Dank "Absolute Exocet" falle ich vom Sofa und schlage mir den Hinterkopf auf - Diagnose: Speedmetalschock. So können die also auch. Ein verstörendes Lead-Out namens "Jackob's Ping Pong" entlässt mich in den Feierabend. Gelungen!
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