laut.de-Kritik
Willkommen in der musiktherapeutischen Praxis!
Review von Valerie TimmMusiktherapeutische Klinik Atlanta - Streng vertraulich!
Patient: Christopher Brian Bridges aka Ludacris.
Auffälligkeiten: 4-Platinalben, Featurepartner von Missy Elliott ("One Minute Man" und "Gossip Folks"), Fergie ("Glamorous"), Jamie Foxx ("Unpredictable"), Ciara ("Oh"), Usher und Lil Jon ("Yeah") sowie schauspielerische Ambitionen in "The Fast and the Furious" (2001), "L.A. Crash" (2004) und "Hustle & Flow" (2005).
Gründe der Einlieferung: Neudefinition des Künstlers Ludacris.
Behandlungsplan: Release Therapy.
Dauer: 63 Minuten (13 Tracks plus Intro).
Therapeuten: The Neptunes, Trak Starz, Dre & Vidal, Polow da Don, The Runners und Kenjo.
Leidensgefährten: Young Jeezy, Pharrell, Bobby Valentino, Field Mob, R. Kelly, Beanie Sigel, Pimp C, C-Murder, Mary J. Blige, Bishop Eddie Lee Long.
Entlassungstermin: 29. September 2006.
Krankheitsverlauf: Der Rapper Ludacris therapiert sich auf dem Longplayer "Release Therapy" weitestgehend selbst. Allerdings hat er die Sache mit Oprah Winfrey noch nicht verschmerzt. Man erinnere sich an den TV-Auftritt mit der L.A. Crash-Crew, als Oprah in ihrer Sendung Luda aufgrund seiner explicit lyrics den Kopf wusch.
"War With God" scheint ein Diss in Richtung des ebenfalls aus Atlanta stammenden T. I. zu sein, obwohl Luda dieser Meinung vehement widerspricht. Er nennt zwar keine Namen, doch jeder weiß, wer gemeint ist. Mit solchem Kinderkram hält sich Mr. Dirty South allerdings nicht lange auf. Viel lieber setzt er sich für politische, ihm wichtige Themen ein. Der Ghetto- bzw. Knasttrack "Do Your Time" mahnt daran, sich nicht von der Zeit respektive Momos grauen Herren dirigieren zu lassen, sondern selbst der Herr seiner Zeit zu werden. Da Luda jedoch nicht die kredibilen Erfahrungen im Kittchen vorweisen kann, holt er sich kurzerhand die Knastbrüder Beanie Sigel, Pimp-C und C-Murder ins Boot.
Doch viel mehr Sorgen bereitet ihm die Regierungsweise von US-Präsident George Walker Bush junior. Im nachdenklichen "Slap" spart Luda nicht an Kritik: "President Bush could give a damn about our ass, so I don’t wana hear shit that he has to say [...] Troops gone and we still at war, nobody even really knows what for". Damit spricht er wohl vielen aus der Seele.
Neben den sozialen Themen fehlen auch die Songs nicht, in denen Luda zum Beispiel zusammen mit Pharrell Williams so richtig die Sau rauslässt. Auf "Money Maker" huldigt er dem weiblichen Geschlecht, Pornochicks werden feucht bei "Girls Gone Wild", in "The End Of The Night" poppen wir im wahrsten Sinne des Wortes zusammen mit Bobby Valentino wie Orville Redenbacher, der Popcornhersteller.
In "Woozy" schließlich lecken wir uns gegenseitig mit R. Kelly ab. Doch die "Ultimate Satisfaction" kommt erst noch. Sie erleben wir beim perfekt platzierten Sample von Benny Benassis2003er Sommerclubhit "Satisfaction". Luda ist immer noch der alte Partyclown, die Therapie scheint noch nicht so richtig zu greifen.
"Runaway Love" dagegen, ein Duett mit Mary J. Blige erzählt rührend die Geschichte von vier jungen Mädchen, die in gewalttätigen bzw. drogenabhängigen Familien aufwachsen bzw. früh schwanger werden. Ludacris über die lyrische Hommage an Tupacs "Branda's Got A Baby": "Ich dachte viel an meine eigene Tochter Karma, als ich 'Runaway Love' geschrieben habe. Eine Tochter zu haben, hat mich regelrecht dazu gezwungen, meinen Horizont zu erweitern und, gerade was Frauen betrifft, ein besserer Zuhörer zu werden. Auch, wenn ich alles andere als perfekt bin, kann ich versuchen, das perfekte Vater zu sein."
In "Mouth To Feed" fährt Ludacris dann wieder ganz alte Rapgeschütze auf: "See you later Alligator". Inhaltlich setzt er sich mit seiner Adoleszenz und mit seinem heutigen Leben auseinander. In "Tell It Like It Is" kommen die Curse'schen zehn Rapgesetze zur Anwendung. Allen aufstrebenden Rappern empfiehlt Luda, wie man ein effizienter Rapper wird. Darin erwähnt er auch seine Fehde mit Chingy, von dem er bis heute noch nicht genau weiß, warum dieser die Disturbing-Tha-Peace-Crew verließ. Heute kann er offensichtlich auf seine Anwesenheit verzichten.
Mit den Worten "Unless I'm still in competition with my president, and believe that I'm supportin' the Hova, 'cause the industry's shady, it needs to be taken over" spielt Ludacris auf die Probleme mit Def-Jam-Chef Jay-Z aka Hova und das Imperium von Shady Records an. Diese Punchline mutet etwas seltsam an, ist er doch ein enger Freund von Eminem und Co.
Im Gospelsong "Freedom of Preach" mit der Unterstützung von New Birth Megachurch-Bischof Eddie Lee Long kommt er zum Abschluss doch wieder mit allen Feinden ins Reine - selbst mit Oprah: "Forgive those who don't think I'm great and want to see me go. Forgive Oprah for editing most of my comments off her show. Don’t get me wrong, I know some people got an image to hold. But those who criticize the youth, might just be getting too old." Auch fordert er ein Ende der Hip Hop-Beefs und entschuldigt sich bei seinen Fans, wenn er unfreundlich war, sowie bei der Mutter seiner Tochter für die ewigen Streitereien. Er ist auf dem Weg der Besserung!
Abschlussbericht: Patient Ludacris zeigt keine weiteren Auffälligkeiten, außer dem neuen Kurzhaarschnitt namens Fade. Die Neudefinition ist gelungen, da er sich als die komplexe Person zeigt, die er ist. Der Partyclown Luda weicht weitestgehend dem seriösen, verantwortungsbewussten Vater einer fünfjährigen Tochter. Eminems "Mockingbird" lässt grüßen.
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