laut.de-Kritik
Man möchte Regenbögen kotzen.
Review von Christian Schmitz-LinnartzEs gibt viele Unterschiede zwischen Hip Hop und Theater, lange standen diese zwei Kulturdisziplinen sich sogar diametral gegenüber, in Bezug auf Sprache und Zielgruppen. Der Unterschied, um den es hier geht, sind Puppen. Im Theater gab es das zunächst für Kinder, im Hip Hop mit den Puppetmastaz zunächst für Erwachsene. Theater für Kinder findet selten ohne Puppen statt, Hip Hop für Kinder wie (die übrigens phänomenalen) Deine Freunde gänzlich ohne Puppen. Das Fehlen von Puppen hat vermutlich sehr viel mit dem Anspruch an die eigene Glaubwürdigkeit im Hip Hop zu tun und damit, was unter der Piratenflagge des Hip Hop segeln darf.
Leider muss auch ich gestehen, dass auch in meiner Brust zwei Seelen wohnen. Es geht noch nicht einmal wirklich um diese Attitüde der dicken Hose und das Posen, aber Hip Hop für Kinder ist einfach mal so unglaublich pädagogisch wertvoll, dass man Regenbögen kotzen möchte. Aber genau darum geht es doch, oder?
Hip Hop ist einfach einer der besten Botenstoffe, den die heutige Zeit für Wissen aber auch Spaß bereit hält, um Positives zu verbreiten. Ich verpasse mir selber einen metaphorischen Eimer eiskaltes Wasser ins Gesicht, denn dieser Hip Hop ist genau das, was Hip Hop schon immer war. Storytelling, das Anprangern von Missständen und selbst das materielle Streben gibt es im Rap für Kinder, das ist bei Deine Freunde "Schokolade" anstatt Blingbling und schnelle Autos. Hand auf's Herz, kann es etwas Besseres geben, als den Nachwuchs für eine Kunstform, die man selbst liebt, verehrt und verinnerlicht hat, zu begeistern? Jetzt ist da aber dieses Puppending, das eine zusätzliche Verschnuckeligung bereit hält. Aber auch hier gilt, warum sind die Puppetmastaz, diese verstörenden Puppen, in Ordnung, warum muss ich bei deren Videos regelmäßig lachen, aber da, wo Puppen herkommen oder hingehören, in der Welt der Kinder, soll es falsch sein?
Nach all diesen abstrakten Gedanken nun zur "Sendung Mit Der Maus". MC Pieps ist eine Figur im Kosmos "Mira Und Das Fliegende Haus". Eigentlich sollte ich spätestens jetzt die Feder an jemanden übergeben, der unter sechs ist und davon mehr versteht, aber ich nähere mich "Niemand Ist Zu Klein, Um Groß Zu Sein" durch das Kind im Manne.
Das Album lebt von den Skits mit dem Beatlieferanten Sammy als Counterpart, der phänomenale Beats liefert und gleichsam die Rolle des erwachsenen Motivators von MC Pieps gibt, dessen Überdrehtheit als Counterpart mit Sammy im Zweiklang gut funktioniert. Denn die Stimme von MC Pieps ist etwas anstrengend, aber für Kinder ist es vermutlich genau das, was bei der Stange hält.
Die Texte sind über jeden Zweifel erhaben, sie sind knuffig, Pieps sprüht vor Rapfreude und Texten, die zwischen Selbstironie, der obligatorischen Selbstbeweihräucherung oszillieren, gespickt mit positiven Werten, ohne jedoch den moralischen Zeigefinger zu heben. Das Album ist Handwerk mit Liebe und es wird und wurde gedacht.
Dann bekommen sie sogar noch Besuch im Studio von Cassandra Steen, und ab diesem Moment ist spätestens klar, dass dieses Projekt ernst ist und sie sich auch in Hip Hop-Maßstäben ernst nehmen und ja verdammt nochmal das Recht haben, unschuldig gefeiert und dennoch ernstgenommen zu werden.
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