laut.de-Kritik
Hin und her gerissen zwischen Anspruch und Dissen.
Review von Stefan JohannesbergNach den eher lustigen Plattentiteln der ersten zwei Scheiben "Renevolution" und "Ein Album namens Bernd" kommt MC Rene jetzt mit ordentlich Wut im Bauch daher. "Scheiß auf euren Hip Hop" heißt sein neuestes Werk und tatsächlich setzt der Freestyle-Maniac in vielen Songs auf einen Großteil der heutigen Szene einen riesengroßen Haufen. Ob zu Recht, soll im weiteren Verlauf der Kritik erläutert werden. Sicher ist aber, dass sich Robinson Reen die markanteste und provozierendste Rapüberschrift ever auf seine Eintracht Braunschweig-Fahne schreiben darf.
Als größtes Feindbild haben sich er und seine Improversum-Posse die vermeintlich harten Undergroundtypen à la Battle-Gegner Azad ausgesucht, wovon die Tracks "Hardcorerapper" sowie "Whack und Kommerz" lyrisch eher ein Armutszeugnis ablegen. Der Chorus von Erstgenanntem ist das Schlechteste, was mir seit Jahren in die Ohren gekommen ist. Gleich danach kriegt dann auch der Jiggy-Style mit "Pump Up den Shit" sein Fett weg. Die V.I.P.-Affen werden bei "Chika Chika" abgewatscht, und "Spliff That Shit" macht deutlich, dass Weed nicht zwingend zur Hip Hop-Kultur gehört.
Musikalisch ist das alles durchaus ansprechend, da sehr abwechselungsreich, aber Rene kann sich leider nicht den Liedern anpassen. Vielmehr zerstört er die guten Beats mit seinen marktschreierisch eingesetzten Raps. Der Texttenor ist zudem immer der gleiche. All die angesprochenen Auswüchse haben mit Renes Hip Hop nichts zu tun, doch keiner versteht den armen Rapbengel. Und das wird wohl auch so bleiben, denn die Songs triefen vor weinerlichem Selbstmitleid.
Stellvertretend sei hier der Refrain von "Whack und Kommerz" erwähnt. "Ja, ich bin whack und Kommerz. Bin Sellout für alle Headz, Rap ohne Herz, Hip Hop bin ich nicht. Echte Skillz bring ich nicht. Hardcore bin ich nicht, deepe Texte sing ich nicht." Mit diesen Zeilen stellt er sich beleidigt in eine Ecke und verliert so an Glaubwürdigkeit.
Dass Rene es auch anders bzw. besser kann, zeigt er auf "Scheiß auf Hip Hop" trotz aller Kritik zu Genüge. Anscheinend hat er sich die vielen Vorwürfe fehlender Tiefe zu Herzen genommen. Mit Gentleman will er "Niemals aufgeben", den Sinn des Lebens sucht er bei "Bist du drin" sowie bei "Damit was bleibt" und in "Väter und Söhne" thematisiert er die vielfältigen Probleme einer zerrütteten Familie.
Zusammengefasst ist die Platte also ein überdurchschnittliches Rapalbum geworden, welches zwar zu Recht kontrovers den heutigen Hip Hop diskutiert und auch einige gute Stücke enthält, aber im Endeffekt wegen oben erwähnter Schwächen nicht allzu oft aus meinen Boxen pumpen wird.
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