laut.de-Kritik
Nach Tony Clarkins Tod schmerzt jede einzelne Zeile.
Review von Stefan Johannesberg"The curtains come down / Put out the lights / Tearful the clowns / Silver starlight." Der Vorhang von Tony Clarkin, und somit fiel der Vorhang für Magnum am 7. Januar 2024 für immer. Clarkin starb nach kurzer, schwerer Krankheit im Kreise seiner Familie. Der eingangs zitierte Beginn der mit Streichern unterlegten Mitsinghymne "I Wanna Live" vom fünf Tage später veröffentlichten 25. Studioalbum "Here Comes The Rain" klingt dabei fast prophetisch - und jede Zeile schmerzt, führt sie einem das Ende dieses tollen Musikers und das Ende dieser Wahnsinnstruppe emotional immer wieder vor Augen:
"I wanna live / I wanna shout / I wanna tell the world / Just what it's all about / I wanna live / My one desire / Come on and take my hand / And walk me through the fire". Im Refrain ballt man die Fäuste, reckt sie in die Höhe wie Bobble 1985 und schreit sich seine Wut über den Verlust und die unaufhaltsame Vergänglichkeit aus dem Leib. Man will sich wieder spüren. Man will spüren, dass noch Leben in einem ist.
Erst Ende November wurde Clarkin eine unheilbare Wirbelsäulenerkrankung diagnostiziert, die das Gitarre spielen schwierig und das Touren wohl unmöglich gemacht hätte. Über jeden Zweifel erhaben und als wundervoller Abschluss einer erfüllten Karriere strahlen die neuen Songs von "Here Comes The Rain" jedoch durch jeden Regen dieser Welt. Wie wenig andere Bands vor ihnen trotzen Magnum dem Alter, der dünner werdenden Stimme Bob Catleys, den Jahrzehnten kreativer Abnutzung und dehnen die Grenzen ihres warmen, bombastischen Melodic Rock gar weiter aus.
Im entspannten Groove-Monster "The Seventh Darkness" duellieren sich statt Clarkin und Keyboarder Rick Benton Saxophonist Chris Aldridge und die Leadgitarre. Federleicht und unverkrampft fügen Magnum die neuen Töne in ihren Sound. "Blue Tango" schwingt das Boogie Woogie-Tanzbein wie Status Quo, versprüht Bon Jovi "Bad Medicine"-Vibes im Refrain und erinnert an jene Ami-Einschläge, die Magnum seit "Goodnight LA" 1990 immer wieder frönen.
Trotz der hoffnungsvollen Melodien durchzieht das ganze Werk eine Dunkelheit, perfekt eingefangen im fantasievollen Artwork vom alten Bekannten, Rodney Matthews. Der Zauberer und Geschichtenerzähler stemmt sich gegen den Sturm, schützt seine Gruppe und symbolisiert so das gesamte musikalische Schaffen der Band. Die düstere Stimmung bricht sich als Gegenpol vor allem in den Texten Bahn.
Im Opener "Run Into The Shadows", der nach vorne prescht wie einst "Days Of No Trust", zeigt sich Catley angewidert von den aktuellen Kriegen "Don't want to play your war games / And see those bullets fly" und zweifelt nach all den Jahren an sich und der Menschheit: "Someone is sayin' / Our days are numbered / I hope they've got it wrong again / But don't start prayin' / Don't weep, don't wonder / You know we'll have to start, but when?". Im Titeltrack nimmt er diese Stimmung wieder auf: "There's no silver bullet / Made in this world / That will bring us together / No words that are clever / Spoken in this world / That will last us forever". Die Ballade "Broken City" setzt dem Reigen als Antikriegshymne dann die Krone auf.
Doch die Musik lügt nicht. Zum Glück. Tony Clarkin hinterlässt der Welt kein depressives Album, sondern schmeißt all seine Hoffnung in die epischen Arrangements auf "The Day He Lied" und vor allem "Some Kind Of Treachery". Die Piano-getränkte Powerballade lädt wie einst "When The World Goes Down" zum schunkelnden Mitröhren ein. Und dann sind sie wieder da, die Tränen um Tony, wenn alle Magnum-Fans singen:
"There are times it's hard to swallow ...
When the world comes down on you ...
May it shine on you tomorrow ...
And your dreams, they all come true ..."
3 Kommentare mit 5 Antworten
Musik für Menschen, die noch immer "Raider" sagen.
Dieser Kommentar wurde vor 10 Monaten durch den Autor entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 10 Monaten durch den Autor entfernt.
Wo Magnum drauf steht ist Magnum drin und man hört es nach fünf Takten. Und es ist zeitlos und es ist für mein Ohr nicht langweilig. Auch nicht nach häufigem Hören. Ausfälle in der Historie mache ich nur bei Rock Art und Sleepwalking und so etwas im Comeback Album Breath of Life aus. Alles andere ist immer wenigstens sieben von zehn. Die Texte haben ebenfalls eine hohe Qualität. Auch nach fünfzig Jahren als Teil der Musikgeschichte.
Wer das jetzt in der Kombination von sich behaupten kann, der hebe die Hand oder.... Als nicht Musiker... Zeige auf jemanden, der es von sich behaupten kann....
Genau das.
Habe es eben durchgehört und begebe mich grade auf die (Wieder-)Entdeckungstour durch die Diskographie. Schade das diese wunderbare Geschichte hier endet. Was für ein großartiger Abschied!
In der Tat! Lieblingsalben?
Aktuell "The Monster Roars", aber ich kenne noch nicht alle älteren Alben. Wie gesagt, ich bin auf der Wiederentdeckunstour und ich bin sicher, den anderen oder anderen Diamanten noch zu finden.