laut.de-Kritik

Marternder Herzschmerz in all seinen Variationen.

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Nach den Alben von Man Man muss man auch in gut sortierten Läden ein Weilchen suchen, denn keiner weiß so genau, ob sie im Rock-Regal, in der Weltmusik-Ecke, oder in der Indie-Abteilung zu Hause sind. Es ist nunmal schwer, diesen eigenwilligen Sound auf den Punkt zu bringen. Vielleicht klingen Man Man ungefähr so, als hätte sich Tom Waits eine Rebellenbande aus allen Weltregionen zusammengesucht und dann mit ihnen fünf Jahre lang am Clown College studiert.

Die humorige Seite der Band zeigt sich schon bei der Instrumentierung: Fast jedes Stück zieren ein paar echte Raritäten unter den Klangwerkzeugen. Da wird gehupt, an Drehleiern gekurbelt, auf Pfannen eingedroschen, und gelegentlich auch mal ein chinesisches Beerdigungshorn bemüht. Bisher stand am Ende immer ein leicht kakophonisches Klanggewitter, komplettiert von den Gesangeskünsten bzw. Urschreien des Frontmanns Honus Honus, unterbrochen nur gelegentlich vom einen oder anderen berserkerhaften Solo auf dem Xylophon.

Das neue Album ist anders. Mit Mike Mogis von den Bright Eyes legte erstmals ein Produzent Hand an. Und bereits die makellosen Synthiebässe aus dem ersten Takt verraten: Hier soll jetzt professionell Musik gemacht werden! Das allertrashigste Honkey-Tonk-Piano aus Man Mans Sortiment darf diesmal nicht mehr mitspielen. Auch volltrunken zusammengekreischte Philip Glass-Neuinterpretationen sind dem Kehraus zum Opfer gefallen.

Dieser neue musikalischen Ernst passt zur inhaltlichen Linie des Albums. Melancholie war zwar schon immer eine von Honus Honus' Lieblingsingredienzien - aber es lässt doch aufhorchen, dass er "den Tod guter Freunde, das Fehlen von Strukturen und ohne Heimat von Ort zu Ort zu driften" zu seinen Inspirationen für "Life Fantastic" zählt. Das Kernthema ist und bleibt jedoch ein echter Klassiker: Marternder Herzschmerz in all seinen vielfältigen Variationen.

Da wird etwa der Mistkerl verflucht, den die Angebetete bevorzugt hat - "I know you've met / The mess you'll marry / He'll keep you fed / But can he carry / The weight of your heart?" ("Steak Knives") - dann übt sich der Zurückgewiesene in Selbstzerfleischung - "Throw me to piranhas / If you wont be with me" ("Piranhas Club") - bis sich einige Unglückliche in "Haute Tropique" gegenseitig zerstückeln. Letztere, bluttriefende Episode begleiten aber nicht nur peppige Xylophon-Wirbel und eine flotte Basslinie aus dem Piano, sondern auch ein paar heitere Marimba-Klänge. Den Humor haben Man Man also nicht verloren.

Die Motivation scheint schon eher gelitten zu haben: Dass "Life Fantastic" etwas weniger hypnotisierend wirkt als die früheren Alben, das liegt aber nicht an dem musikalischen Wandel der Band. Es steht kaum zu befürchten, dass Man Man einen moderateren Gang eingelegt haben, um auch in Zukunft ihre Miete bezahlen zu können. Die wenigen Schwächen des Albums liegen nicht so sehr in der verschlankten Klangstruktur oder der penibleren Produktion, sondern eher im etwas halbherzigen Songwriting. Honus Honus sagt selbst: "Lustigerweise konnte ich früher eine schlechte Situation meistens kreativ umwandeln, aber dieses Mal konnte ich das überhaupt nicht. Ich habe nichts gefühlt, was schlimmer war, als elend und deprimiert zu sein."

Die Mattheit des Frontmanns schlägt sich dann auch in den Lyrics nieder, die teilweise dünner ausgefallen sind als gewohnt. So merkt man erst nach ein paar Hördurchgängen, dass die alte Genialität immer noch in unzähligen Details steckt und dass die ungewohnt ruhigen und minimalistischen Passagen in Stücken wie "Steak Knives" erstaunlich gut funktionieren.

In "Bangkok Necktie" gehen asiatisch anmutende Akkorde mit einem rockigen Arrangement Hand in Hand, als seien sie füreinander geschaffen. Und im grandiosen "Shameless" bekommt man zu hören: "Doctor, I'm telling you / To cut me open please / Doctor, I'm begging you / To bring me to my knees / Tear out all my flesh / And all my bones / Make me a cold machine / So I can walk alone" - und kann nur darüber schmunzeln, dass dieser trotzig-unglückliche Song durch seine straighte Bassline, durch sein ordinäres Piano und durch die begleitenden Streicher vermutlich das Charttauglichste ist, was Man Man bis dato fabriziert haben.

Das musikalische Kuriositätenkabinett, das diese Band aufzieht, macht wieder einmal Staunen, und man fragt sich allmählich, ob sie überhaupt irgendein musikalisches Experiment anpacken kann, ohne es zu Gold zu machen.

Trackliste

  1. 1. Knuckle Down
  2. 2. Piranhas Club
  3. 3. Steak Knives
  4. 4. Dark Arts
  5. 5. Haute Tropique
  6. 6. Shameless
  7. 7. Spooky Jookie
  8. 8. Eel Bros
  9. 9. Bangkok Necktie
  10. 10. Life Fantastic
  11. 11. Oh, La Brea

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