laut.de-Kritik

Da hilft kein Dagegenstemmen, nur ein Treibenlassen.

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Mark Knopfler hat das Kind beim Namen genannt, ohne sich darum kümmern zu müssen: "Privateering" (Freibeutertum). Eine im wahrsten Sinne säbelrasselnde Wortwahl und wie gemacht für den nächsten Shitstorm. Nun, man muss verstehen, dass sich Knopfler keine Gesellschafts- oder Kulturkritik ans Revers heftet, wenn er mit diesem Album hausieren geht. Vielmehr versteckt er hinter seinem Seeräuber-und-Piraten-Phantasma jugendliche Sottisen: Zu lesen ist von ihm, dass der moderne Rock'n'Roll das Pendant zum Freibeuterleben sei und es keine staatlichen Zuschüsse gibt, wenn man "diese Art von Musik" macht.

Für die hat er das Bild von einem ramponierten Tourbus und einem zotteligen Köter im Kopf. Für den seit "Golden Heart" Solitär Knopfler ist dieser zerlumpte Schnappschuss natürlich ein Eldorado: "Wenn du mich fragst, ist ein Mann in seinem Tourbus genauso als Freibeuter einzustufen wie einer, der auf einer Fregatte oder auf einem Kanonenboot haust. Er ist unterwegs, bahnt sich seinen eigenen Weg, und das alles immer nur der eigenen Nase nach." Wer braucht schon Benzin für bald 1,80 Euro im Tank, solange der Bus vier Reifen hat und das Armaturenbrett beim Fahren nicht wegbricht?

Solange das Radio läuft und der ganz alte Bus die alte CD frisst, ist der Eskapismus von "Privateering" zum Greifen nah. Schon im ersten Refrain wird's warm ums Herz: "Redbud tree, shelter me, shelter me." Niemanden, aber auch gar niemanden hält es bei diesen wohligen Harmonien in dem muffigen Bus. Also raus aus der Karre, vorher die CD noch schnell zu MP3s komprimiert und ab in die Fauna und Flora. Als Wandergeselle mit selbstgeschnitztem Stock und etwas Proviant im Beutel, mit genau diesem Lied ("Redbud Tree") vom Heimatlosen im Ohr und der Süße der Strat im Sinn.

Danach der Umstieg auf die Fähre vom französischen Roscoff nach Rosslare in Irland. Mit an Deck der melancholische Nebenmann, der vor Heimweh fast stirbt und das in seinem verdrießlichen Flötenspiel zum Ausdruck bringen muss ("Haul Away"). Man möchte ihn am Reling in den Arm nehmen, Knopfler zitieren und ein wenig in Amfortas Wunde bohren, auf dass er diese herzliche Abneigung auch richtig spüre: "The morning brings, Lord, a fresh young breeze / To fill our sails and end the doldrums / Our lucky ship speeds across the sea / I'm a living man and you're a cold man / Haul away, haul away for home."

Bei Knopfler muss man auf der Hut sein, schnell wird die Fähre zum Ozeandampfer und man landet im Bermuda-Dreieck, wird in den Strudel von wehmütigem, keltischem Folk ("Kingdom Of Gold", "Yon Two Crows") oder wippendem Blues ("Today Is Okay") gerissen. Die 20 Songs entfachen schnell einen Mahlstrom, in den hilflos hineingezogen wird, wer sich nicht retten kann. Gegen die verwaschenen und elegischen "Go, Love", "Blood And Water" und "Seattle" hilft kein Dagegenstemmen, nur ein Treibenlassen. Hier regnet es aus grauen Klangwolken auf die geschmeidigen Arbeiterhände Knopflers, die dem Schauer mit sonnenklarem Fingerpicking trotzen.

Der ist immer noch cool genug, um "Corned Beef City" oder "I Used To Could" so zu phrasieren, dass es wie aus dem Dire Straits-Ärmel geschüttelt daherkommt. Und die sanfte Ruth Moody von The Wailin' Jennys im Duett lässt, wie zuletzt Emmylou Harris in "All The Roadrunning", den harten Knochen Knopfler nicht so raubeinig aussehen, ja ihn sogar ein bisschen golden schimmern. "A hen can lay a golden egg but she still can't sing / Well the hen's alright but the harp is everything", heißt es im abschließenden "After The Beanstalk". Brotlose Kunst ist kein schillernder Wunsch, sie ist glanzlose Wirklichkeit.

Trackliste

  1. 1. Redbud Tree
  2. 2. Haul Away
  3. 3. Don't Forget Your Hat
  4. 4. Privateering
  5. 5. Miss You Blues
  6. 6. Corned Beef City
  7. 7. Go, Love
  8. 8. Hot Or What
  9. 9. Yon Two Crows
  10. 10. Seattle
  11. 11. Kingdom Of Gold
  12. 12. Got To Have Something
  13. 13. Radio City Serenade
  14. 14. I Used To Could
  15. 15. Gator Blood
  16. 16. Bluebird
  17. 17. Dream Of The Drowned Submariner
  18. 18. Blood And Water
  19. 19. Today Is Okay
  20. 20. After The Bean Stalk

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