laut.de-Kritik
Sporty Spice fängt gut an, um dann stark nachzulassen.
Review von Kai KoppDas Problem mit den äußerlichen "Unannehmbarkeiten" ist gelöst. Ursprünglich für September 2002 geplant, wurde die Veröffentlichung von "Reason" verschoben, um Mel C die Gelegenheit zu geben, ihre "überflüssigen" Pfunde abzuspecken. Denn mit Moppelchen will dieser Tage halt kein A'n'R auf Promo-Tour gehen. Die Kilo-Hürde ist erfolgreich genommen, doch wie schaut es mit der kreativen Hürde aus?
Lange Jahre Mitglied der erfolgreichsten Casting-Bands aller Zeiten macht Mel C nun die Erfahrung, dass keine Armee von Komponisten und Arrangeuren sich mehr um ihre Songs kümmert. Die Besten der Zunft haben seinerzeit ihre Lieder auf die beeindruckenden Leiber der Spice Girls (um-)geschrieben. Auch Sporty Spice trifft nun das harte Los, nicht mehr von der sie umgebenden Maschinerie am guten Leben erhalten zu werden. Melanie ist fortan allein mit ihrer Kreativität und muss die Prüfung der massenkompatiblen Charttauglichkeit mit ihrer zweiten Veröffentlichung erst noch bestehen.
Diesen Umstand fasst Mel C in harmlose Worte: "Ich war so verliebt in den Prozess, eine Platte zu produzieren, die sich nur um mich und meinen Geschmack dreht und nicht von einem Komitee zusammengestellt wird". An "Reason" wird sich also entscheiden, ob das gemeine Volk ernsthaft an den kreativen Attacken von Sporty Spice interessiert ist. Die günstigsten Voraussetzungen aller Ex-Girls bringt sie jedenfalls mit, galt sie doch schon seinerzeit als die beste Sängerin der Gang.
Im Grunde ist "Reason" schnell beschrieben: Gut anfangen und dann stark nachlassen. Nach dem trashig-sympathischen "Here It Comes Again", der ersten Singleauskopplung, serviert uns Mel C den Titelsong "Reason" als amtliche Ballade. Damit ist das Pulver größtenteils verschossen. Den Übergang von Qualität zu Quantität gestaltet "Lose Myself In You" mit seinem extraordinären Groove geschmeidig, nahtlos und fast unmerklich. Danach verliert sich "Reason" tragischerweise in popmusikalischer Beliebigkeit, obwohl Melanies Potential deutlich spürbar durch die Songs geistert.
Nette aber unspektakuläre Liedchen verärgern die innere Erwartungshaltung, die von den ersten Titeln aufgebaut wurde. Nach geraumer Zeit stellt man verblüfft fest, dass "Reason" zwar noch läuft, aber niemand mehr zuhört. Der perfekte Soundtrack für weitschweifende Gedankenreisen, sollte man meinen? Ist es aber nicht!
Denn irgendwann wird auch der härteste Mindwalker aus seinem Traum gerissen. Die auditiv unanregende Kulisse zerstört gnadenlos die mühevoll aufgebauten Tagtraumschlösser. Auch wenn ihr erstes Solo-Album "Northern Star" platingekrönt wurde, und Mel C das erfolgreichste Gewürzmädel ist, gemeinsam waren sie einfach besser. Trotzdem vermute ich, dass zumindest "Positively Somewhere" die Ehre einer Auskopplung zukommt und die Charts dementsprechend reagieren werden. Ich persönlich werde beim intensiven Hören von "Reason" das Gefühl nicht los, dass Melanie C den kreativen Wolf der zweifellos in ihr schlummert, etwas mehr provozieren könnte!
Noch keine Kommentare