laut.de-Kritik
Meisterhaftes Triple aus Shoegaze, Electronica und Dream-Pop.
Review von Kerstin KratochwillDas Miki Berenyi Trio, kurz MB3, ist nach seiner schillernden Leadsängerin benannt – und verweist damit auf die enorme Präsenz, die die ehemalige Sängerin/Co-Gitarristin der Shoegaze-Legende Lush seit ein paar Jahren wieder einnimmt – sei es nach der kurzen Reunion von Lush, ihrer anderer neuen Band Piroshka oder ihrer gefeierten und packenden Autobiographie "Fingers Crossed: How Music Saved Me From Success".
Das Songwriting beim Debüt des Miki Berenyi Trio ist allerdings eine harmonische Zusammenarbeit zu dritt, wie der Albumtitel es schön zusammenfasst: "Tripla" ist nämlich die ungarische Bezeichnung für "dreifach" und verweist auf die Muttersprache von Mikis Vater. Zum Trio gehören noch KJ "Moose" McKillop, Mikis Mann und ebenso bei Piroshka involviert sowie Teil der 90er Band Moose, den unterschätzten Erfinder des Shoegaze plus Oliver Cherer, Bandkollege von Justin Welch (The Jesus And Mary Chain, Elastica, Piroshka etc.) bei der Neo-Krautrock-Band Aircooled. Wie man sieht, die Musikerinnen und Musiker sind immer noch "The Scene That Celebrates Itself", mit diesem Spitznamen beschrieb die britische Musikpresse in den Neunzigern die noisgen Bands, bevor man den Begriff Shoegaze erfand. Dieser Zugang zu Musik, der tief von Freundschaft und Fusionen getragen ist, prägt auch den Sound auf "Tripla": Organisch fließend zwischen Dreampop und treibend freudigem Indiepop mit einer gehörigen lustvollen Portion Electronica.
Der Opener "8th Deadly Sin" gibt das Motto vor, ein von Dance-Musik beeinflusster dynamischer Shoegaze-Track, der klingt als würde Underworld mit Lush zusammenspielen und mit deutlicher Message an die Menschheit, die dabei ist, die achte Todsünde zu begehen: Die Zerstörung unserer Erde. "D’you understand the mess we're in?" singt Miki darin, "So what’s the plan, Action Man? / Silly boys / broken toys." Auch die anderen Songs sind getragen von schroffen, schlauen wie sehnsüchtigen Lyrics, dem Wechselspiel zwischen Melancholie und Euphorie und der Erkenntnis, das die meisten Pop-Texte vom Jungsein, Sex und Liebe handeln. Miki Berenyi, heute 57 Jahre alt, schreibt weiterhin über die Dinge, die sie emotional berühren und hier ist es Klimawandel, Politikirrsinn und soziale Medien, ohne dass man den Eindruck hat, hier versucht jemand krampfig relevant und jung zu sein, denn diese Dinge betreffen ältere Menschen genauso.
Genauso wenig aufgesetzt wirkt die Mischung aus den hallenden, dreamoppigen Flächen, die mit viel Electronica eine frische wie fließende Injektion erhalten haben. Beeinflusst wurde der Sound zudem von alten wie neuen Acts, darunter Cocteau Twins, Föllakzoid, Françoise Hardy oder Au Pairs. Dazu kommt der unverkennbare glasklare Gesang Miki Berenyis, der wie einst im Hit "Ladykillers" toxische Männlichkeit zerschneidet. Der funky New-Wave-Song "Big I Am", der ein wenig an Blondie erinnert, ist so ein Track, der den giftigen Machismo eines Andrew Tate auseinandernimmt. Hier heißt es "Living a lie / Empty victory / Stereotype / Cliché masculine / Who – broke – your heart", während es in dem Lied aus 1996 lautet: "When he's nice to me he's just nice to himself / And he's watching his reflection / I'm a five foot mirror for adoring himself / Here's seven years bad luck (I want to tell him)”.
30 Jahre liegen zwischen diesen Zeilen, jung und alt in der Zeit verschwommen und mit denselben Problemen schwimmend, sei es Sexismus damals und jetzt oder aktuell Solipsismus im Internetzeitalter. Die Verschmelzung von Genres und Generationen vibriert auf "Tripla" geradezu und hallt mit einem Sound nach, der tatsächlich "lush" ist – das englische Wort ist kaum zu übersetzen und bedeutet in etwa satt, üppig und opulent. Das Miki Berenyi Trio zelebriert hier Sophisticated Pop, von engl.: anspruchsvoll, ausgefeilt, der harmonisch Shoegaze und Electronica miteinander vereint – mal ausufernd schön, mal pointiert catchy.
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