laut.de-Kritik
"Ich bin vielleicht verliebt, na und?! Da ist dennoch Hass genug!"
Review von Anastasia HartleibMilli Dance hat ein Problem, denn: Milli Dance ist verliebt.
Jawohl. Wer sich nämlich einen Namen als oberster Gift- und Galle-Spucker gemacht hat, stellt vermutlich mindestens die halbe Welt und die eigene Existenz in Frage, wenn rosa-rote Schmetterlinge plötzlich die Magengegend bevölkern. Kein Wunder also, dass Milli Dance gleich im Opener zur Rechtfertigung ansetzt: "Ich bin vielleicht verliebt, na und?! Da ist dennoch Hass genug! Bei mir gerade alles gut, dennoch fließt in den Parts noch Blut."
Zur Untermalung der Parts auf "Fünf Vor Fick" hat sich die eine Hälfte von Waving The Guns mit U.N.O. einen engen Vertrauten ins Boot geholt. Der Dresdner hat das Beatbauen eigentlich eher als eine Art Beschäftigungstherapie begonnen - und wir sollten Milli Dance dafür danken, den Hobby-Producer auf die Bildfläche gezerrt zu haben. U.N.O.s Beats sind schwer - auf die bestmöglichste Art. Tiefdrückende Bässe, irgendwo zwischen 90 und 100 bpm, und träge Loops entziehen den eigentlich recht flinken Samples ihre Energie und umhüllen sie so mit einer düsteren, vernebelten Atmosphäre. Am besten gelingt das bei "Warum Nicht Mal Von Mir", das zugleich die hellste und treibenste Produktion des Kollabo-Albums ist.
Und Milli Dance? Hadert mit sich selbst. Das hört man, leider. Zwar hat der Rostocker das Galle-Spucken nicht verlernt, aber ihm fehlt ein wenig die Orientierung. Der Gegener ist überall: Mal Rapper-"Kollegen", mal Steven Gätjen, mal der Kapitalismus, mal Verschwörungstheoretiker - und das alles in einem Song. Dazu wirken die Punches zum Teil sehr hektisch und eher halbherzig in den Ring geworfen - und landen dabei auch mal unter der Gürtellinie, wie in "Weird": "Peaches Geldofs Tod war zwar tragisch, doch vielleicht gilt das nur als Gottes Bestrafung ihres Vaters für Live Aid."
Dabei möchte man dem Rapper eigentlich nur zurufen: 'Entspann dich!' Denn der einzige, der aus dem Umstand des Verliebtseins einen Vorwurf macht, ist doch Milli Dance selbst. Statt das natürliche High einfach mitzunehmen, sabotiert er sich und sucht nach dem Stein im Schuh - wie in "Letzte Stunden": "Ich lebe im Moment und im Moment ist alles easy, aber ich warte nur darauf, dass etwas Schreckliches passiert / fall' in Ohnmacht, um mich nicht so ohnmächtig zu fühlen."
Erst im letzten Drittel von "Fünf Vor Fick" findet Milli Dance so langsam wieder zu sich selbst. "Is Nich" liefert glorreiche Punches wie "Ihr habt euch die Chakren aufgescheuert" und "Jeder Dritte" hat endlich wieder ein klar definiertes Feindbild, an dem man sich gemeinsam mit Milli abarbeiten kann. In diesem Fall: Nazi-Deppen. "Schon normal, dass du das Zittern nicht loskriegst, wenn du davon ausgehst, dass jeder Dritte ein Idiot ist."
Der Gesamteindruck von "Fünf Vor Fick" ist eher durchwachsen. Während U.N.O. mit seinem Debüt einen beeindruckenden Start hingelegt hat, stolpert Milli Dance durch die eigenen Ansprüche an sich selbst, bevor er sein Hate-Mojo wiederfindet und den Rest der Welt wieder angemessen betiteln kann: "Alles menschliche Penispumpen."
2 Kommentare
Macht Laune das Ding! Wirkt wie aus einem Guss und unterhält gut. In diesem hilightarmen Rapjahr würde ich 4/5 geben. Milli ist schon mein Lieblingspolitrapper - wahrscheinlich auch weil man deutlich raushört, wie sehr er Präsident feiert
P.S. Die Peaches Gelsdorf Linefunktioniert vor allem im Kontext mit den darauffolgenden Zeilen.
wunderbar. wenn ich hier nix rechtes oder rechtsoffenes schreibe hat der seich gar keine klicks und kommentare
2/5 für die peaches geldorf line