laut.de-Kritik
Klingt logisch: Die Gorillaz inszenieren eine Affen-Oper.
Review von Michael SchuhMenschen, die im Jahr des Affen geboren sind, gelten in China seit rund 4000 Jahren als kreativ und erfinderisch. Sagt der Mondkalender. Im Gegensatz zur Diskussion um die Meinungsfreiheit im Reich der Mitte mag man hier endlich mal uneingeschränkt zustimmen.
Grund: Jamie Hewlett und Damon Albarn, die Macher hinter dem aufwändigen Projekt "Monkey: Journey To The West", sind mit ihrem Geburtsjahr 1968 beide diesem Tierkreiszeichen zuzuordnen. Die Gorillaz und Neu-Monkeys im Zeichen des Affen. "Als wir das rausgekriegt haben, fühlten wir uns erst recht auserwählt, dieses Thema umzusetzen", lacht Hewlett.
Mit diesem "Thema" meint der Tank Girl-Comiczeichner die Realisation einer Oper auf der Basis der chinesischen "Monkey"-Sage, die seit dem 16. Jahrhundert hohe kulturelle Bedeutung in der aktuellen Heimat Olympias genießt.
Seit der Premiere des Stücks Ende Juni in Manchester wurde viel über die schillernde Umsetzung mittels fliegender Zombies, verwunschener Prinzessinnen und saltoschlagender Kampfsportler geschrieben. Doch braucht der Albarn-Fan nun diesen surrealen Fernost-Soundtrip, der den britischen Songwriter nach eigener Einschätzung erst zum Komponisten machte?
Auch wenn wir auf CD nicht den live mit mächtigem Orchester aufgeführten Soundtrack präsentiert bekommen, hört man dem Spektakel jederzeit an, wie besessen die Ober-Gorillaz bei der Konzeption zu Werke gingen. Albarn und Hewlett bestiegen Berge, wanderten durch Steppen, durchquerten Flüsse, trafen Shaolin-Mönche und verschollene Komponisten.
Albarn übte sich an chinesischen Instrumenten und nutzte ausschließlich die im ostasiatischen Raum dominierende Fünftonleiter zur Komposition.
Da nimmt es nicht Wunder, dass "Journey To The West" ein Sammelsurium an Flöten, Pauken, Mantras und fremd anmutenden Instrumentenklängen geworden ist. Es blubbert, zirpt und zischt, und wenn einmal keine Sprachsamples in ruhige Passagen einfallen, künden Orchesterschläge von narrativen Höhepunkten. Der kulturelle Brückenschlag gerät zum onomatopoetischen Parforce-Ritt.
Als Höhepunkte sind der Mandarin-Traum "The Living Sea", das komplett außerirdische "Heavenly Peach Banquet" oder der tatsächlich noch in heftige Beats mündende Schlussspurt "Monkey Bee" zu nennen.
Und doch hören wir "nur" die Blaupause des großen Bühnen-Soundtracks, also das, was Albarn in Londoner und Pekinger Studios arrangierte. Platt formuliert: das Demo zur Oper.
So blitzen aufgrund der elektronischen Herangehensweise immer wieder Sounds der Gorillaz oder in einzelnen Akkordfolgen trotz fehlender Songschemata sogar der Songwriter Albarn auf.
Das Grundgefühl ist jedoch das eines Scores und lässt vor dem geistigen Auge alte Anime-Trickfilmchen ablaufen - was ganz im Sinne der Erfinder sein dürfte, schließlich verfielen Albarn und Hewlett erstmals als Teenager in den späten 70ern der "Monkey"-Zeichentrickversion.
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