laut.de-Kritik
Düstere Beats und klare Worte von Frankreichs Staatsfeind Nr.1.
Review von Alexander EngelenDie Gewalt in Clichy-Sous-Bois entbrannte am 27. Oktober nach dem tragischen Tod zweier Jugendlicher. Die Hauptstadt Paris und viele weitere Städte Frankreichs brannten. Was französische Rapper seit Jahren in ihren Texten prophezeiten, wurde Wirklichkeit. Die tickende Zeitbombe aus missglückter Integrations-Politik und einer orientierungslosen Jugend - meist mit Migrations-Hintergrund - platzte. Und die Politik suchte zwischen Kärcher-Reinigern und eigensinnigem Machtstreben nicht nur nach den Gründen. Sie wollte die Schuldigen. In Monsieur R hatte sie einen gefunden.
Das "Black Album 2006" ist seine Antwort. Die Antwort eines Rappers, der selbst aus einem dieser "quartiers sensibles" kommt, der selbst als Migrant mit dem Unvermögen französischer Politik zu kämpfen hat. Und die Antwort ist mächtig. Düstere Beats und klare Worte poltern in Richtung Assemblée Nationale, wo im Oktober 2005 knapp ein Drittel der machthabenden Partei UMP die Klage eines Abgeordneten unterzeichneten, in der, neben anderen Rappern, Monsieur R aufgrund seiner expliziten Texte über das Land zur Rechenschaft gezogen werden sollte.
Bereits "J'ai La Haine", zu Deutsch "Ich schüre Hass", knüppelt mit mächtiger Synthie-Line und treibendem Beat jegliche Opposition nieder. Leider muss ich mich Kollegin Fromms Gewissensbissen anschließen, weil auch mein Schulfranzösisch in Vergessenheit geraten ist. Erstaunlich ist nur, dass die Wiedererkennung im Vokabular-Kleinhirn bei Schimpfwörtern viel besser funktioniert als beim Rest. Gut, mit Schulfranzösisch haben diese Ausdrücke nicht mehr viel zu tun. Der Titel des Tracks und das einläutende Anzünden eines Streichholzes macht jedoch jedem klar, dass es Monsieur R verdammt ernst meint.
Mit Pistolenschüssen und Polizeisirenen geht es auf "Monsieur Fric" weiter, und die tonnenschwere Synthie-Welle verliert nichts von ihrer Zerstörungskraft. "Enemi Public #1" zielt wieder eindeutig auf Monsieur Rs Probleme mit der Politik. Auf einem wahrlich orchestralen Beat vermischt der Protagonist seine anklagenden Raps mit Zitaten aus Polit-Reden und bleibt zumindest in Sachen Flow und Style klarer Sieger. Der Eloquenz und Qualität französischen Raps hinkt man hierzulande noch immer hinterher. Das wird besonders deutlich, wenn ein wie von der Tarantel gestochener Monsieur R über ein Monster von einem Beat spittet. Ich warte auf eine Zusammenarbeit mit Deutschlands Staatsfeind Nr.1 Bushido.
In Folge plant "R L'Insolent ("R, der Ehrfurchtslose") einen "Braquale Verbale" ("verbalen Raubüberfall") und schürt als "Guetto Republican" eine "Rebelion revolutionnaire". Die Beats wechseln, wie man es vom französischen Rap gewohnt ist, ohne jeden Bruch zwischen melodisch-stimmigem Orchester-Bombast und hartem Beat-Gewitter. Monsieur Rs "Black Album 2006" hat nichts von Jiggas gleichnamigem Manifest zum Abschied aus dem Game, die französische Politik muss sich wohl oder übel damit abfinden, dass Monsieur R gerade erst angefangen hat. Die Klage gegen ihn wurde bekanntlich vom obersten Gericht abgeschmettert.
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