laut.de-Kritik
Die Beatles unter den Komödianten.
Review von Giuliano BenassiIm Himmel gibt es italienische Küche, deutsche Organisation und britischen Humor. In der Hölle dagegen britische Küche, italienische Organisation und deutschen Humor. Nun gut, nicht gerade der beste Witz. Und nicht unbedingt einer, den Monty Python gebracht hätten. Oder vielleicht doch? Dass der britische Humor einen himmlischen Status genießt, ist jedenfalls zu einem nicht geringen Teil ihnen zu verdanken.
Als die Pythons 1969 mit ihrem "Flying Circus" auf Sendung gingen, revolutionierten sie das Fernsehen. Erst in ihrem Heimatland Großbritannien, später im Rest der westlichen Welt. Noch heute ist es schwer zu glauben, dass die sonst so konservative BBC einen so aufmüpfigen wie zutiefst intelligenten Humor überhaupt zuließ. Der Erfolg gab allen Beteiligten recht, denn bis 1974 entstanden 45 Episoden. Plus zwei fürs deutsche Fernsehen, eingefädelt von Alfred Biolek. Die erste davon, "Monty Python's Fliegender Zirkus: Blödeln für Deutschland" (1971) nahmen sie sogar auf Deutsch auf.
Soviel zum angeblich höllischen Humor der Deutschen. In den Episoden wechselten sich absurde Situationen mit Zeichentrickaufnahmen ab, manche Gags endeten abrupt oder führten ins Nichts, waren aber auch ohne Pointe bedeutungsreich. Später versuchten sich die Pythons erfolgreich im Kino mit Streifen wie "Ritter der Kokosnuss" (1975), "Das Leben des Brian" (1979) oder "Der Sinn des Lebens" (1983). Dabei schrieben sie auch Lieder und Musik, die sie im Laufe der Jahre immer wieder auf Schallplatten herausbrachten, wobei "Monty Python Sings" die 'definitive' ist. Natürlich verbunden mit Szenen aus dem "Zirkus" oder ihren Filmen, aber so gut, dass sie auch unabhängig davon funktionieren.
"Setz dich auf mein Gesicht und sag mir, dass du mich liebst. Ich setze mich auf dein Gesicht und sage dir, dass ich dich auch liebe", so eines der besten Stücke in ihrem Repertoire, "Sit On My Face". Herrlich absurd auch der "Lumberjack Song", der mit dem Herunterleiern einer Wettervorhersage beginnt, bevor der Sprecher die Nerven verliert und zugibt, lieber ein Holzfäller zu sein. Und Frauenkleidung zu tragen, wie sein "lieber Papa". Begleitet von einem Männerchor, der das nachsingt, was der Sprecher vorgibt und sich vor Entrüstung verhaspelt. Zum Schluss verlässt er den Raum mit Stöckelschuhen.
Oder wie wäre es mit dem armen Brian, der für den Messias gehalten wird und schließlich am Kreuz landet? Während er leidet, singt ihm der gute Verbrecher vor, dass er doch die schönen Seiten des Lebens betrachten sollte ("wenn das Leben miserabel scheint, gibt es etwas, das du vergessen hast. Und das ist zu lachen und zu tanzen und zu singen"). Ein Stück, das Iron Maiden seit jeher im Abspann ihrer Auftritte abspielen. Noch gehässiger ist "Every Sperm Is Sacred", das die katholische Kirche und ihre Haltung zur Verhütung lächerlich macht ("Du musst kein großes Gehirn haben ... Du bist ein Katholik in jenem Moment, in dem Papa kommt. Denn jedes Spermium ist heilig, jedes Spermium ist großartig. Wird eines verschwendet, ist Gott ziemlich sauer").
Die Arrangements sind penibel ausgearbeitet, oft mit Orchester und Chor. Besonders effektiv sind dabei Kinderchöre. Wie in "All Things Dull And Ugly", das die Melodie eines traditionellen Kirchenlieds mit einem Text verbindet, der genau das Gegenteil aussagt ("Alles, was krank und krebsartig ist, alles Böse, groß und klein, alles, was verdorben und gefährlich ist, Gott, der Herr, hat es alles erschaffen").
Einen Rassisten, der sich über "Nigger, Spics, Waps oder Krauts" äußert, lassen sie in die Luft fliegen. Ihre Liebeserklärung an Finnland ist in Wirklichkeit vernichtend ("bei Auslandsreisen nur noch hinter Belgien"), auch die Chinesen dürften sich über die Zuwendung wenig freuen ("Es gibt neunhundert Millionen von ihnen. Also empfehle ich dir, sie zu mögen"). Dennoch: Rassismus und Sexismus hatten bei den Pythons keine Chance.
Grandios auch ihre Beobachtungen des Alltags. In "I'm So Worried" machen sie sich etwa über all die Ängste lustig, die wir mit uns herumtragen, obwohl sie Dinge betreffen, die wir nicht ändern können ("Ich mache mir solche Sorgen über das Gepäckbeförderungssystem in Heathrow"). In "Galaxy Song" versuchen sie, der stressgeplagten Misses Brown Mut zuzureden. Sie soll nur dran denken, wie unwahrscheinlich es ist, dass bei Millionen von Milliarden Galaxien ausgerechnet sie existiert. Um zum Schluss wieder alles zunichte zu machen: "Hoffen wir, dass es anderswo intelligentes Leben gibt, denn hier auf der Erde wimmelt es nur so von Dummköpfen".
Ihre Bildung - die Mitglieder hatten an den Universitäten Oxford und Cambridge studiert - ließen sie gerne raushängen. Nicht immer mit Erfolg, wie der Zungenbrecher "Eric The Half-a-Bee" zeigt. Lustig fällt dagegen "Bruces' Philosophers Song (Bruces' Song)" aus, in dem sich Denker aller Epochen die Kante geben ("Rene Descartes war ein betrunkener Furz, 'Ich trinke, also bin ich'"). Aufwändig komponiert, nicht minder reich an Wortspielen ist "Decomposing Composers" ("Verwesende Komponisten"), das mit dem klassischen Satz "du kannst noch Beethoven hören, Beethoven dich aber nicht mehr" aufwartet.
Humor, der bis heute seine Spuren hinterlassen hat. Der "Spam Song", der diese Platte abschließt, handelt von einem gräulicher Klumpen aus Fleischresten, der im Zweiten Weltkrieg als Notnahrung in Dosen verbreitet war. In einem Sketch singt eine Gruppe Wikinger eine Hymne, die fast ausschließlich aus dem Wort "Spam" besteht. Unnötig und sinnlos wie auch die Mails, die viele Jahre später nach diesem Lied benannt wurden.
Die Truppe, im Kern ein Sextett, löste sich 1989 nach dem Krebstod Graham Chapmans (der den Brian gespielt hatte) endgültig auf. Nach dem Ende von "Flying Circus" hatten sie bereits zuvor nur noch punktuell zusammengearbeitet. Dafür machten die einzelnen Mitglieder Karriere: John Cleese schrieb die herrliche Komödie "Ein Fisch Namens Wanda" und die Fernsehserie "Fawlty Towers". Terry Gilliam verwirklichte als Regisseur märchenhafte, wenn auch gelegentlich verängstigende Filme wie "Brazil", "12 Monkeys" oder "Fear And Loathing In Las Vegas". Michael Palin machte sich mit humorvollen Reisedokumentationen einen Namen, Terry Jones schrieb Bücher, Eric Idle verdingte sich weiterhin als Schauspieler.
Monty Python blieben - und bleiben - legendär. Als die damals noch lebenden Mitglieder (Jones ist 2020 gestorben) im November 2013 einen gemeinsamen Auftritt ankündigten, war er in weniger als einer Minute ausverkauft - und das in der großen O2-Arena in London. Der Anlass war eher nüchtern: Monty Python hatten einen Prozess verloren, in dem es um Rechte an ihrem Film "Ritter der Kokosnuss" und dem abgeleiteten Musical "Spamalot" ging. Nun mussten sie rund eine Million Euro auftreiben. Schließlich standen sie im Juli 2014 mit der Best of-Show "Monty Python Live (Mostly)" an zehn Abenden auf der Bühne, der letzte wurde live im Pay-TV und in Kinos übertragen.
Damit waren sie nicht nur ihre Schulden los, sie hatten auch die Chance, ihrem Publikum Lebewohl zu sagen, wie Eric Idle erklärte. "Nicht einmal die Beatles hatten sie". Der Vergleich kam nicht von ungefähr, schließlich gelten sie als die Beatles unter den Komödianten - unerreichbar und unsterblich.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Legenden. Prägten eine Ära wie einst Chaplin und Laurel & Hardy. Ministry of Silly Walks bringt mich noch heute zu Lachkrämpfen. Life of Brian zeigte allen den Spiegel vor.
Flying Circus bleibt ihr bestes Format. Bin verblüfft, daß keine einzige Sketch-Sendung bis heute im Ansatz so radikal alle Regeln des Mediums gebrochen hat. Vor vielen Folgen und Sketchen sitze ich 40 Jahren nach Veröffentlichung und frage mich, ob die das gerade ernsthaft gemacht haben, und welcher Sender diese Anarchie heute durchgehen ließe.
Sind inzwischen sogar ganze 50 Jahre
Die Serie ist heute noch einfach der absoute Wahnsinn.
Mehr geht nicht.
Übrigens: Die meisten Sogs stammen von Eric Idle. Als Songwriter sollte er an jeder Stelle Props bekommen.
Ich muss gestehen, dass ich bis heute nur wenige Folgen bzw. Ausschnitte des Flying Circus und entsprechend gar nicht bei allen Liedern den (visuellen) Kontext kenne.
Ich bin sicher, dass einige Nummern dadurch nochmal erheblich dazugewinnen (so ist es in jedem Fall bei den Film-Titeln, zB meinem persönlichen Liebling, dem Galaxy Song). Trotzdem hat das hier für mich eigentlich auch rein akustisch immer schon sehr gut funktioniert.
Und noch ein bisschen lieber als die Filme des Kollektivs habe ich eigentlich sowieso die von Gilliam als Regisseur (zumindest die gelungensten), auch wenn man ihnen das Alter mittlerweile natürlich ansieht (zB Brazil).