laut.de-Kritik
Pseudo-The Edge-Gitarren und Stadionrock.
Review von Markus BrandstetterTriff mich im Tompkins Square Park, Baby. Deswegen nämlich, weil ich dich noch ein Mal halten will, im Twilight. Außerdem war ich noch nie so verloren, Baby, und ein Mal möchte ich dich noch hören, ein allerletztes Mal. Ich verspreche dir auch, dass ich keine Banjos mitnehmen werde in den Tompkins Square Park, und die ganze Folk-Suppe gegen einen sehr beliebigen Pop-Sound eintauschen werde! Ich möchte wie ein verwässerter Coldplay-Smoothie klingen, den man vergaß, in den Kühlschrank zu stellen, Baby.
So beginnt "Wilder Mind", das neue Album von Mumford & Sons. Zugegeben, die letzte Hälfte des eingedeutschten Zitats war, sagen wir, paraphrasiert und weitergedacht. Die E-Gitarre ist mit jeder Menge Reverb und auch ein wenig Delay beladen, das Schlagzeug treibt im 4/4-Takt, der Bass spielt stoisch die Viertelnoten und damit das Ganze nicht zu trocken wird, gibts auch ein bisschen Sphärisches drübergestreut.
Mumford & Sons wollen auf ihrem neuen Longplayer Veränderung! Keine komischen Basstrommeln mehr, die Cheffe Marcus Mumford selbst mit dem Fuß mitklopfen muss, kein Popfolk und akustische Saiteninstrumente. Dafür Pseudo-The-Edge-Gitarren und Stadionrock – und Songs, die nie auf den Punkt kommen.
Es geht auf "Wilder Mind" leider alles verloren, was Mumford & Sons ausmachte: die melancholischen Melodiebögen und Instrumentierungen, die gallopierenden Banjo-Fingerpickings, der akustische Folkzirkus. Eben das, was man mögen oder verspotten konnte, was die Band aber definierte und populär machte. Irgendwie scheint es auch in Interviews, als wäre die Band in einer sturen Midlife-Crisis: Alles scheiße gewesen Früher: die Banjos, die alten Klamotten, der Bandname. Nur: Das neue ist halt noch viel mehr scheiße.
Von dem, was man an der Band eventuell mochte, ist nichts zu finden. Erst bei "The Wolf" blitzt Marcus Mumfords Gespür für simple, aber effektiv melancholische Melodiebögen kurz auf. Auch "Just Smoke" lässt derartige Stärken noch erahnen, aber über weiter Strecken zelebrieren Mumford & Sons nichts anderes als Nullsummen-Songs im austauschbaren Pop-Rock-Klangkleid.
Nichts gegen Experimentierfreude: Nur ist hier kein einziges Experiment zu finden - auch wenn die Band das vielleicht anders sieht. Mumford & Sons sind in der absoluten Beliebigkeit gelandet: leer, vom Stadionrock träumend, austauschbar. Ob sie sich davon erholen, bleibt abzuwarten.
21 Kommentare mit 23 Antworten
Die anderen Alben ein wahrer Klang-Tornado, heute nur noch ein milder Wind...
nette referenz...
Reicht immerhin noch für den Titel des vorhersehbarsten Totalausfalls des Jahres.
Erwartbar langweilig.
Komisch das genau der Stadionsound kritisiert wird aber "The Wolf" angeblich das Beste Lied sein soll.
Wer hier keinen Widerspruch findet, der muss blind sein.
Das Album ist gefällig, wenn auch kein "von den Füßen Reißer".
3 von 5 allemal, mehr nicht aber auch nicht weniger.
Aber schon interessant, das der Autor verdammt häufig Bands, welche keine Newcomer sind eben aufgrund ihrer Weiterentwicklung kritisiert.
Entweder zu stark oder zu wenig.
Rückschlüsse darf die Person selber ziehen.
Fällt lediglich bei den letzten Reviews häufig auf.
Liebe/lieber iamgettingtooold, da würde es mich doch interessieren, bei welchen Bands du der Meinung bist, dass ich das denn so gemacht habe?
Kid Rock.
Als Bob Dylan zur E-Gitarre griff, war das damals etwas besonderes. Das reicht heute nicht mehr. Etwas mehr Mut und Experimentierfreude hätte dem Album gut getan.
Leider habet ihr mit der Reiz vollkommen recht. Ich habe genau das gleiche gedacht, als ich diese Woche bei Saturn in das Album reinhörte. Schade, aber das Geld war dann wohl wichtiger als dem eigenen Sound treu zu bleiben.