laut.de-Kritik
Selbst die Bezeichnung schlechter Pop ist noch zu viel des Guten.
Review von Stefan JohannesbergEs gibt da einen Ort irgendwo im Nirgendwo der großen, weiten USA. Einen Ort, an dem die Frauen nackt und willig auf dem Tisch tanzen. An dem es Dollarnoten vom Himmel regnet und man ständig Popstars wie Justin Timberlake, Kelly Rowland oder den Neptunes über den Weg läuft. Zehn Millionen Einwohner hat dieses Paradies auf Erden.
Doch schaut bzw. hört man mal genauer hin, bekommt das Wunderland "Nellyville" einige Risse. Der Tempel des Hip Hop um Prediger Krs-One ist nur armselig besucht. Und die einzige Musik, welche die Radiosender dudeln, besteht aus oberflächlichen, poppigen Clubbeats, die in Sachen Tortur fürs Trommelfell nur von dem ekligen Eunuchenrapgesang eines Bürgermeisters namens Nelly übertrumpft werden. Die Traumstadt mutiert so für Hip Hop–Headz schnell zum Sodom und Gomorra des Rap.
Ich kann nur jeden warnen, der "Nellyville" besuchen möchte. Prostituierte, Pimps und Players bestimmen das Straßenbild ("Pimp Juice"). "Macho, Macho" wie einst Reinhard Fendrich möchte Mann da rufen. Aber es kommt noch schlimmer: "Dem Boyz" sorgen für einen düsteren Dirty South-Abklatsch, der alle kreativen Bemühungen von Outkast und Goodie Mob ad absurdum führt. Aus den dicken Schlitten dröhnen ähnlich schlecht gelagerte G-Funk-Sounds ("On The Grind"), und der traurige Mainstream-Rest klingt wie eine aufgemotzte Milli Vanilli-Kopie, jedoch ohne deren kultigen Trashfaktor.
Ganz schlimm wird es dann, wenn sich der Bürgermeister auf "Work It" einen Gast wie den oben erwähnten Ex-Spears-Möchtergernflachleger und N'Sync-Fronthampelmann Timberlake ins Rathaus holt. Selbst die Bezeichnung schlechter Pop ist noch zu viel des Guten.
Aber halt. Eine Sehenswürdigkeit kann man tatsächlich auch in "Nellyville" erblicken. In "Roc the Mic" zeigt der Roc-A-Fella-Klan um Jay-Z Protegé Beanie Sigel und Produzent Just Blaze, wie eine kommerzielle Clubharke mit tighten Raps geschwungen wird. Nur leider nahm sich auch hier wieder Nelly das Recht, via Dissattacken gegen seinen gehassten Stadtprediger Mr. Parker dumm dazwischen zu blöken. "Oh Nelly". So gibt es von der Stiftung Lauttest nur ein Ungenügend und die Aufforderung, im Urlaub doch lieber zu Hause vor der eigenen Stereoanlage und altbekannten Platten zu bleiben.
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