laut.de-Kritik

Deutschlands Antwort auf Linkin Park?

Review von

Ein Bischof meinte vor nicht allzu langer Zeit in Richtung Bundesministerin Ursula von der Leyen: "Deutsche Familienpolitik ist kinderfeindlich und ideologisch." Kontroverse Bundespolitik@laut.de, wer hätte das gedacht. Nein, das soll kein gar nicht so versteckter Hinweis auf das Alter der Nevada Tan-Jungs sein.

Im Gedenken an die Fortschrittlichkeit von Militärbischof Walter Mixa sei an dieser Stelle darum gebeten, jegliche musikideologische Indoktrination abzustreifen. Es ist nur Musik, Baby!

Stimmt, "Niemand Hört Dich" ist in der Tat nur Musik. Die Gewichtung liegt hier bei "nur". Wenn es nämlich bis zum siebten Song "Wie Es Ist" dauert, ehe das Sextett den Schatten von "Wie? Wusste gar nicht, dass Linkin Park ohne Akzent deutsch sprechen können" abstreifen, dann ist da nicht übermäßig viel auf der Kreativ-Habenseite.

Keine Frage, handwerklich gehen die Nevada Tan sehr ordentlich zu Werke. Arrangements und Produktion lassen kaum Wünsche offen. Außer man steht auf etwas mehr Gitarrenbrett, denn das richtige Bollermonster in Sachen Riff-Wirbelwind geht dem Debüt der Neumünsteraner auf die Dauer ab. Zu sehr ist der Sound in seiner Gänze nivelliert.

Bei poppigen Tracks wie der erwähnten Powerballade "Wie Es Ist", "Himmel Hilf" und dem abschließenden "Ein Neuer Tag" macht sich gar ein Händchen für nett sentimentalen Popschnulz bemerkbar, der - im Gegensatz zum Gros der übrigen Songs - nicht ständig den Geist einer anderen Combo atmet, sondern Eigenständigkeit erkennen lässt. Entsprechend unspannend rockert der Rest über jugendliche Befindlichkeitslyrik im Spannungsfeld der Trias "Keiner kann mich verstehen", "Ich mach, was ich will" und "Mir gehts so schlecht" hin, her und wieder hin.

Diese plakative Teenage-Angst bzw. der Teenage-Anger
gehen mit den unvermeidlichen Molltönen und Streichern einher, ab und an mit Scratches durchsetzt, die nicht wirklich nötig gewesen wären, um die - oft nicht nur dezent - peinlichen Aussagen zu stützen. Die mit kräftigem Fußstampfen aufbegehrende Jugend parolisiert/parodiert (wohl unfreiwillig): "Was geht ab in dem geliebten Deutschland, für mich ist hier kein Platz, das hab ich langsam erkannt" und "Die Revolution in Deutschland hat angefangen, also ziehen wir die Fick Dich-T-Shirts an. Rebellieren, provozieren, Nevada Tan ist jetzt dran mit ihrem neuen Klang-Wahl-Programm" und suggeriert letztlich nur eines. Nämlich dass nach wie vor nichts in Sicht ist, was die Elterngeneration zu mehr als nur einem Augenbrauenzucken nötigt. Die reflexartige Antwort auf den jugendlichen Lyrics-Leichtsinn ist ein Verweis auf den Albumtitel.

Okay, "niemand" wäre etwas übertrieben, denn dank einer durchgehenden Eingängigkeit dürfte die anvisierte Klientel demnächst ihr Taschengeld zum Laden ihres Vertrauens tragen. Vom künstlerischen Standpunkt her betrachtet, muss sich im Hause Nevada Tan aber noch gewaltig etwas tun, will man nicht als Deutschlands Antwort auf Linkin Park enden. Wie so oft stellt sich da das Problem, dass Linkin Park nie eine Frage gestellt haben, die Deutschland beantworten müsste.

Der Eingangs erwähnte Adressat der Bischofs-Kritik stellt persönlich klar, dass "... wir uns besser um die Kinder kümmern [müssen], die auf der Schattenseite des Lebens geboren werden." Insofern geben wir Entwarnung an allen Fronten für den Nachwuchs des Bildungsbürgertums.

Trackliste

  1. 1. Revolution
  2. 2. So Wie Du
  3. 3. Neustart
  4. 4. Vorbei
  5. 5. Niemand Hört Dich
  6. 6. Warum?
  7. 7. Wie Es Ist
  8. 8. Alles Endet Hier
  9. 9. Echo
  10. 10. Himmel Hilf
  11. 11. Geht Ab
  12. 12. Ein Neuer Tag

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Nevada Tan – Niemand Hört Dich (Ltd.Pur Edt.) €3,03 €3,00 €6,03

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Nevada Tan

Nevada Tan? Die Sonnenbräune von Nevada? Sollten wir das Kapitel der seltsamen Bandnamen etwa um eine Kuriosität erweitern? Mitnichten, denn Nevada …

LAUT.DE-PORTRÄT Panik

Jan Werner (DJ), David Bonk (Gitarre), Christian Linke (Bass), Timo Sonnenschein (MC, Gesang), Frank Ziegler (Gesang) und Juri Schewe (Schlagzeug) aus …

84 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    hab aus neugier mal reingehört vorhin, jetzt ist wieder ein teil von mir gestorben.

    ist nichtmal nur linkin park, die da extrem rauszuhören sind. mir fallen da spontan p.o.d. ein bei ein paar der gitarrenriffs und ein paar mal auch such a surge bei den vocals.

    das klingt einfach so nach ende der 90er, das geht garnicht.

  • Vor 17 Jahren

    ich glaub "linkin park auf deutsch" triffts ganz gut. auch was das gesamtkonzept angeht (DJ mit Sampler uns SFX, einer rappt, einer singt...). mich rockts jedenfalls null. liegt vielleicht aber auch daran, daß ich linkin park nicht ausstehen kann. dieses pop-gerappe erinnert mich auch ein wenig an Spectacoolär. erinnert sich noch jemand daran? "sie ist meine schwester und trägt ein messer sie sagt in der schule sei sowas besser... usw..."

  • Vor 17 Jahren

    In 2 Stunden sind hier Horden von Groupies. :sweat:

  • Vor 17 Jahren

    Nevada Tan ist dann die holländische Tomate unter den Eissorten...von außen soll sie interessant und lecker wirken aber schmecken tut sie nur nach Luft :conk:

  • Vor 16 Jahren

    ich würde eher sagen "zähnägeleis"

  • Vor 13 Jahren

    Obwohl eher nicht mein Musikgeschmack, ist das Album ganz gut gelungen. "Revolution" und "Himmel HIlf" sind starke Stücke, die ich mir gerne anhöre. Dass Linkin Park hier als Vorbild ist nicht von der Hand zu weissen, aber ich finde dass im Gegensatz zu manch anderen nicht schlecht. Was ich schlecht finde ist eher, dass die Band eben nicht an Linkin Park rankommen und so wirkt das Album über die Länge gesehen recht bemüht aber iregndwie nie ganz in Perfektion gebracht. 3 Punkte halte ich dennoch für gerechtfertigt.