Pop ist mehr als nur Musik. Zwischen Diskurs und Dancefloor bot die Schwabenmetropole jede Menge Atmosphäre.
Stuttgart (drö) - Eigentlich zu Hause in anderen Genres, landete ich an diesem Maiwochenende zwischen Panels, Indie-Hype und urbaner Clubkultur: Das About Pop Festival 2025 in Stuttgart versprach zwei Tage genreübergreifende Entdeckungsreise – und hielt Wort. Zwischen Hochkultur und Pop-Verliebtheit, zwischen Diskurs und Dancefloor, bot das Festival nicht nur Musik, sondern auch Denkanstöße. Und: jede Menge Atmosphäre.
Für 77 Euro in der finalen Phase (ermäßigt 55) gab's das Festivalband zu einer Stadt in Bewegung. Das Bändchen öffnete Türen zu Lesungen, Konzerten, Vorführungen und Talks – verteilt über das gesamte Stadtgebiet. Ein Pop-Festival, das sich eher wie ein künstlerischer Stadtspaziergang anfühlt. Wer sich drauf einlässt, wird belohnt.
Los ging's für uns entspannt im Buchclub-Format: Sascha Ehlert, Kopf hinter Das Wetter, stellte mit Musiker Edwin Rosen sein neues Buch Palo Santo vor. Die Runde war überschaubar, was der Intimität keinen Abbruch tat – im Gegenteil. Rosen, sonst eher auf größeren Bühnen unterwegs, zeigte sich zurückgenommen, nachdenklich. Tiefgang statt TikTok. Später auf dem Wizemann-Areal: Der Kern des Abends. Ein kreatives Biotop aus Workshops, Bars, Kunstinstallationen – und natürlich Musik. Das Publikum changierte zwischen Turnbeutel-Akademikern, Szene-Kids und Kulturarbeitern mit Notizbuch. Zwischen verschiedensten Menschen flanierte man von Raum zu Raum. Mal elektronisch verkopft, mal mitreißend roh.
Fuffifufzich sorgte für das erste große Ausrufezeichen. Die große Halle war voll, das Publikum textsicher, die Beats schwerelos und verspielt zugleich. Zwischen Ironie und echter Emotion navigierte die Künstlerin durch ihr Set – Pop mit Haltung, der nicht anbiedert. Danach sprang Ritter Lean mehr als souverän für eine ausgefallene Künstlerin ein. Deutscher Rap, live mit Gitarre und Drums, irgendwo zwischen Charme und Rotz. Nicht unbedingt mein Genre, aber die Energie war da. Charismatisch, clever, catchy. Dass die Halle nur halb gefüllt war, schien niemanden zu stören.
Nach der Nacht auf einer äußerst bequemen Ledercouch, denn gecampt wird auf dem About Pop nicht, lockte das Institut Français mit Croissants, Kaffee und Kultur: Medienkritik im gemütlichen Salonformat – klug, aber auch angenehm unverbindlich. Wer's nicht nur auf Musik abgesehen hatte, kam hier auf seine Kosten. Ein kleiner Abstecher ins Jugendhaus brachte Escape Room und einen Musik-Workshop. Mein musikalisches Highlight des Tages: Zwei Metal-Acts in der Jugendhalle West. Machukha und Ancst brachten Schweiß, Schreie und Stromgitarren ins ansonsten eher popkulturell geprägte Programm. Ancst, wie immer zwischen Blackened Hardcore und Gesellschaftskritik, lieferte mit Abstand den kompromisslosesten Auftritt des Wochenendes. Und: Er rettete mein Metal-Herz.
Zum Runterkommen ging's ins StadtPalais, wo Betterov mit Klavierbegleitung seine Songs entblätterte. Ein stiller, intimer Ausklang. Auch wenn's musikalisch für mich nicht ganz zündete – die Location, das Licht, die Ruhe: fast schon kathartisch.
Das About Pop Festival ist kein Festival im klassischen Sinne, es ist ein Konzept. Wer auf Camping, Party und kollektives Durchdrehen hofft, ist hier falsch. Wer sich aber auf Musik als Diskurs, Stadt als Bühne und Pop als Haltung einlassen will, bekommt viel fürs Geld. Klar: Die verstreuten Locations machen es schwer, ein echtes Wir-Gefühl aufzubauen. Begegnungen bleiben oft zufällig. Auch die ständige Lauferei kann nerven, besonders, wenn Google Maps versagt. Aber: Genau darin liegt auch der Reiz. Das Festival zwingt dich, dich zu bewegen, körperlich wie geistig. Ein Festival für Entdecker, Denker, Dancer. Für Menschen, die Pop nicht nur hören, sondern hinterfragen. Wer offen ist für Neues, musikalisch wie menschlich, findet hier einen Spielplatz der Möglichkeiten. Stuttgart kann Pop. Nur eben anders.
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