Das ehemalige Fettes Brot-Mitglied widmet seinem Fußballverein ein Buch, das Autobiografie und Fan-Liebe vereint.
Pinneberg/Hamburg (rnk) - Es gab schon bessere Zeitpunkte für ein Buch über den Fußballverein FC St. Pauli. Und doch bleibt beim Hamburger Kiezclub alles relativ ruhig, ganz einfach, weil man auch im Millerntor-Stadion weiß, dass man nach langen Jahren der Abstinenz endlich wieder in der ersten Bundesliga spielt. Die Tabellensituation präsentiert sich Ende November 2025 alles andere als prächtig, aber noch ist nicht alles verloren. Es ist eben auch das übliche Auf und Ab, das ein Fußballfan erlebt – außer man ist Fan des FC Bayern und hat die deutsche Meisterschaft quasi abonniert.
Davon träumt wahrscheinlich nicht einmal der optimistische St. Pauli-Fan. Überhaupt geht es beim Fußball darüber hinaus um das gemeinschaftliche Erlebnis. Nur wer es wirklich mit seinem Verein miterlebt hat, kann nachvollziehen, wie unfassbar intensiv die Anspannung in diesen Sekunden ist, wenn einen dieser 'Passiert das jetzt gerade wirklich?'-Moment trifft, dann nur noch pure Freude herrscht und man sich plötzlich mit wildfremden Menschen weinend in den Armen liegt. So sehr Fußball nerven mag: Genau an solchen Tagen fühlt man sich tatsächlich als König der Welt.
Schwule Mädchen und zwei Könige
Beim Fußball befördert Boris Lauterbach aka Ex-Fettes Brot-Mitglied König Boris sicher keine gänzlich neuen Mythen zutage. Aber sein Buch "FC St.Pauli" (Ullstein, 192 Seiten, deutsch, rund 17,50 Euro) stellt auch eine autobiografische Geschichte über Freundschaft, gemeinsames Reisen in muffigen Bussen und auch Ärger mit der Polizei dar. Das klingt weit mehr nach einer Punk-Sozialisation, als das später eher brave Image von Fettes Brot.
Und wie sehr dies Boris nervt, merkt man in einem Kapitel über einen Auftritt beim "Flash 2000"-Festival ausgerechnet im Millerntor-Stadion, bei dem auch ein Newcomer namens Kool Savas auftrat. Die Protagonisten der Berliner Hip Hop-Szene konnten mit den ironischen, auch Pop-orientierten Songs von Fettes Brot nie viel anfangen oder nutzten sie als relativ dankbares Ziel für ihre Disstracks. "Keine Ahnung, was sein Problem ist, aber er nervt. Ich kann den Vogel nicht wirklich einschätzen, ob er nur ein Scherzbold mit großem Maul ist oder ob er mir auch auf die Fresse hauen würde.".
Die ganze Misere wurde 2019 in dem Buch "Könnt Ihr Uns Hören?" noch mal genauer dargelegt. Aber klar ist, dass damals zwei gegensätzliche Welten (ironischer Hip Hop vs. Battlerap) gegenüber standen. Immerhin, so Boris im Interview zum Buch, initiierte dieser Konflikt Songs wie "Schwule Mädchen" oder "Da Draussen". Ein paar Street-Cred-Geschichten, einem brüllend komischen Verhör auf einer Polizeiwache inklusive, hätte der König aus St. Pauli für King Kool Savas bereits 2000 im Repertoire gehabt, gewährt aber erst jetzt einen Einblick. Vielleicht würde Savas beim Durchlesen doch noch Props an seine damaligen Feindbilder geben.
Heimat und Faszination
"St.Pauli ist für mich im doppelten Sinne zur Heimat geworden", schreibt Boris und widmet zum Ende des Buchs den Einwohner:innen des Viertels eine kleine Liebeserklärung. "Ich kenne die Menschen, die Mini-Kieze. Ich kenne die Geschichten, die lustigen und traurigen. Ich bin ein Teil des Ganzen geworden.". Er wolle Menschen die Faszination St. Pauli und Fußball näher bringen, sagt er selbst. Und das gelingt dem Buch. Auch wer gar keine Bezugspunkte zu Fußball hat, bekommt dennoch eine Coming-Of-Age-Story und eine Autobiografie geliefert, die auch Fettes Brot miteinschließt.
Auf der anderen Seite müssen St. Pauli-Ultras nicht befürchten, dass der Mythos in dem Buch Schrammen davonträgt oder Fan Boris Lauterbach besonders kritisch mit seinem Herzensverein umgeht. "FC St.Pauli" bietet gut zu lesenden Stoff für kurze Auswärtsfahrten und reichlich Bahn-Verspätungen. Eine weitere Empfehlung an dieser Stelle: "You'll Never Walk Alone" von Gunnar Leue, der sich speziell mit Fan-Gesängen weltweit und Popkultur auseinandersetzt.
"FC St. Pauli: Eine Liebeserklärung*"
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