2017 ist jeder Tag Frauentag: 365 Interpretinnen und Bands, grob sortiert nach Genre. Heute mit einem Vorwort von Ce'cile, dem original Bad Gyal.
Konstanz (dani) - Reggae, darin sind sich die meisten Menschen einig, ist Sommersound. Mit dem härterem, coolen kleinen Bruder Dancehall sieht es nicht viel anders aus. Klar, dass unsere "Frau in der Musik"-Folge zum Thema in den Spätherbst gehört. Wenn es draußen eklig wird, hat man karibische Klänge schließlich am nötigsten.
Dass es überhaupt eine Episode zum Thema Reggae und Dancehall geben muss, liegt auf der Hand. Gerade in einem Bereich, in dem Sexismus noch üppigere Blüten treibt als anderswo, haben diejenigen, die dagegen ankämpfen, jede Aufmerksamkeit doppelt verdient. "Wenn es um Musik geht, ist die Frau eine gefährdete Spezies", stellte Sister Carol einmal in einem Interview fest. "Ganz besonders im Reggae." Gefährdet vielleicht - ausgestorben noch lange nicht. Den Beweis dafür liefern ...
... 30 Frauen in Reggae und Dancehall
Es gibt sie, die erfolgreichen Frauen im Reggae. Es gibt sogar erfolgreiche Künstlerinnen im Dancehall, wo die Luft für Frauen noch dünner wird. Ce'cile zählt fraglos dazu. Ihre Sicht auf die Dinge kann also nur erhellend sein:
Ce'cile
(Foto: Tommy Chung, vielen Dank!)
Die weibliche Reggae-/Dancehall-Szene ist und bleibt ein Trümmerhaufen. Ich muss allerdings gestehen, dass ich nach über zehn Jahren in diesem Business schon Veränderungen erlebt habe.
Heutzutage gibt es eine Menge bekannter weiblicher Namen hier, doch der Erfolg scheint sich noch immer auf eine bis zwei Künstlerinnen gleichzeitig zu begrenzen. Und in den meisten Fällen - wie beispielsweise im Dancehall - ist den Gipfel zu erreichen offenbar leider gleichbedeutend damit, an der Spitze der lyrischen oder visuellen Lustlosigkeit zu stehen. Selbst wenn eine Künstlerin anderes Material vorweisen kann: Die erfolgreichsten Tracks scheinen mir auch immer die härtesten zu sein. Ich habe gelernt, dass das nicht unbedingt immer schlecht sein muss … die Lustlosigkeit dagegen schon.
Dancehall und Reggae werden immer getrennt voneinander betrachtet. Irgendwie hasse ich das. Ich selbst mache beides, und oft ist es so, dass die Fan-Gemeinschaft aus zwei unterschiedlichen Gruppen besteht, die unterschiedliche Ansichten und Reaktionen gegenüber dem anderen Genre haben. Trotzdem macht Dancehall/Reggae Spaß, es ist unglaublich, farbenfroh, pulsierend. Die Szene setzt Trends und ist global. (Man beachte, dass ich hier nicht von "der weiblichen Dancehall/Reggae-Szene" spreche.)
Man kann die Musik nicht von ihrem Herkunftsland und dessen Kultur trennen, denn das ist alles miteinander verbunden. Diese "Szene" sind wir, mit allem, das dazu gehört, das ist Jamaika. Seine Höhen und Tiefen, Wurzeln und Kultur, Liebe und Hass, Negatives und Positives, Frauen und Männer.
Neue Künstler und Legenden inspirieren mich. Beide motivieren mich gleichermaßen. Ich persönlich liebe Shenseea, Chronixx und Jo Mersa aus der neuen Generation, und neben meinen absoluten Lieblingen Beenie Man, Lady Saw (jetzt Minister Hall) und Super Cat habe ich auch noch sehr viel Liebe für Iwayne und Stephen Marley, Jah9 und so viele andere.
Meine Erfahrungen, die ich in diesem Game gesammelt habe, waren wie eine Achterbahnfahrt aus Stimmungen, Reisen, lehrreichen Lektionen, Fehlern und Lachen. Es ist jedoch mein absolutes Glück, Musik produzieren zu können. Ich bin immer noch die erste WEIBLICHE Produzentin dieses Genres, die ich kenne, und vermutlich eine der wenigen, die ihre eigene Musik produziert, sei es auf meinem eigenen Label oder auf dem anderer.
Ich war hier, habe dieses und jenes getan, liebe die Frauen, die es tun und getan haben, und ich freue mich auf viele mehr von uns, die Dinge ins Rollen bringen.
BADGYAL
3 Kommentare mit einer Antwort
Tolle Folge. Macht wirklich Spaß, das durchzulesen und reinzuhören.
Außer Althea & Donna und Rihana war mir keine der Künstlerinnen bekannt. Die Genres liegen mir wohl noch nicht so, was aber auch an dem bislang vermuteten Frauenmangel lag. Ich muss dem mal lauschen.
Die Liste der 30 Frauen zeigt wieder einmal, weshalb laut.de für ausnahmslos alles in Reggae-Fragen komplett unbrauchbar ist. Diese Versteifung auf Jamaika mit ein bisschen Deutschland ist dermaßen lächerlich, dass mir leider solche Formulierungen wie dieser hier nötig erscheinen.
Um es konkret zu machen. Wie es schon extrem merkwürdig war, bei den "50 besten Reggae-Alben" die Künster der Virgin Islands komplett außen vor zu lassen und damit die weltweit wahrscheinlich wichtigste Entwicklung im (Roots) Reggae der letzten 30 Jahre einfach zu ignorieren, ist es mir diesmal vollkommen unverständlich, wie man mit Dezarie die womöglich populärste Sängerin und qualitativ, insbesondere lyrisch, eine der unabhängig vom Geschlecht abslut besten Künstlerinnen im Genre nicht beachten kann.