Seite 5 von 21

Was gerade kocht, Part. 1: Die Ostküste

1. New York Drill

Wie klingt das? Inzwischen hat wohl fast jeder schon einmal einen Pop Smoke-Song gehört. Der und seine Zeitgenossen fanden 2019 Gold, als sie angefangen haben, die Grime-induzierten Drill-Beats aus dem Britenland zu holen, die diese einst aus Chicago entfremdet haben. Daraus sind zwei Subkulturen gewachsen, einmal: der zähnefletschendste, schockierendste Straßenrap ohne jedes Gefühl für Subtilität oder Nuance von Teenagern, die spätestens einen Monat später im Knast sind. Zum anderen: die säuseligsten, poppigsten Jams mit R'n'B-Samples aus den 2000ern. Eigenartigerweise kommen oft beide Arten Songs von denselben Leuten. Letzteres hat aber den Beinamen "Sample-Drill" oder "Bronx-Drill" verpasst bekommen.

Die wichtigsten Akteure: Pop Smoke hat mit "Meet The Woo 2" und dem posthumen "Shoot For The Stars, Aim For The Moon" den musikalischen Standard definiert. Fivio Foreign hat lange die Fackel getragen, aber trotz Kanye-Unterstützung auf seinem Debüt "B.I.B.L.E" nicht megaviel herausgeholt.

Kurz galt Kay Flock als großes Wunderkind, der aber auch Wochen später von der Polizei eingesackt wurde, jetzt gehören wohl Lola Brooke, Dougie B, B Lovee und DD Osama zu den populärsten Zeitgenossen. Ferner entstammt Ice Spice dieser Szene, auch wenn außer ihr keiner von all diesen Leuten jemals sonst ein Taylor Swift-Feature einsacken wird. Außerdem gibt es noch einen weißen Teenager von einer Privatschule namens Lil Mabu, der sich neuerdings "König von New York" nennt und damit auf Billboard chartet. Aber den ignorieren wir besser.

Kommerzielles Potential: Wäre Pop Smoke am Leben, dann wäre er gerade auf 50 Cent-Level. Abgesehen davon produziert diese Szene überproportional viele virale Phänomene mit unterdurchschnittlicher Lebensdauer. Ice Spice hat sich schon wieder abgwendet, Dougie B und Lil Mabu werden wahrscheinlich keine großartigen Alben abliefern. Die Artists, die aus diesem Sound langfristig gute Alben schmieden können, fehlen noch.

2. Florida Trap

Wie klingt das? Wir müssen darüber sprechen, dass genauso sehr wie Young Thug seit 2015 die Altanta-Szene geprägt hat, Kodak Black Einflüsse in Florida hinterlassen hat. Guckt man sich die Szene anhand von gewöhnlichen Wald-und-Wiesen-MCs an, dann gibt es keinen anderen Artist, den sie so sehr emulieren wie Kodaks sludgy, quakende Delivery. Man sollte meinen, eine Szene mit Denzel Curry, XXXTentacion, hundert Untergrund-MCS und Rick Ross sollte mehr Variation hervorbringen, aber nein: Kodak Black it is. Mir solls recht sein, ich find' Kodak besser als die alle und er war relativ zentral bei der Entstehung der heutigen Form von Pain Rap (was inoffiziell als das Liebeskind von Mumble Rap und deepen Texten erklärt werden könnte). Musikalisch ist das Ganze inzwischen auch weg von Soundcloud und der Ronny J-Ära, die Beats sind oft konventioneller, hausgemachter, es gibt eine Menge Piano-Loops und rumpelnde Grooves.

Die wichtigsten Akteure: In der Gegenwart sind als aktuelle Namen vor allem Hotboii und Nardo Wick zu nennen, die beide in der Peripherie von Atlanta-Artists wie Lil Baby ein bisschen überregionale Aufmerksamkeit gewannen, aber doch beide eine recht regionstypische Delivery zeigen, Hotboii eher auf dem melodischen Film, während Nardo der Jacksonville-21 Savage geworden ist. Luh Tyler macht mit exzellentem und sehr Florida-typischen Flow Welle. Zuletzt hat Future-Signing Real Boston Richey ein bisschen Buzz aufgenommen, und der jüdische MC BLP Kosher droppt alsbald sein Debüt "Bars Mitzwah" mit Produktion von DJ Premier und Helluva Beatz (Spongebozz ist in Shambles).

Kommerzielles Potential: Es gibt immer wieder starke Hotspots, aber trotz dem gemeinsamen Gefühl hat die Region zu wenig Struktur in Form von Labels, so dass erfolgreich werdende Artists schnell abwandern und sich überregionalen Sounds anpassen.

Seite 5 von 21

Weiterlesen

Noch keine Kommentare