Zum letzten Mal war der ESC Vorentscheid am Samstag Abend Stefan Raabs "Chefsache". Nun steht Deutschlands Kandidat fest.
Hürth (mra) - Am Samstagabend fand die vierte und letzte Show der Serie „Chefsache ESC 2025 – Wer singt für Deutschland?“ statt. Die Wiener Geschwister Abor & Tynna setzten sich im Finale mit dem eingängigen Popsong „Baller“ gegen acht konkurrierende Acts durch. Insgesamt behaupteten die beiden sich gegen 3.281 Einreichungen.
Der beste Song habe gewonnen, die Jury ist sich einig. Der Kader sei dieses Jahr voll mit Talenten für drei Vorentscheide gewesen, sagt Chefjuror Stefan Raab. Dann sollte die Nummer Eins wohl gute Chancen auf den Sieg haben. Außer Raab scheint aber wieder mal niemand so richtig zufrieden zu sein, auch der Weg zur Entscheidung hinterlässt einen faden Beigeschmack.
Es gab in den vorangegangenen Shows vereinzelt fragwürdige Juryentscheidungen. Das Finale schießt, was das angeht, aber den Vogel ab. Vier Tage vor der Ausstrahlung wurde verkündet, die Jury würde nun doch erneut aussieben, bevor endlich das Publikum abstimmen darf. Die neun Teilnehmer der Finalshow mussten sich nun erst in einer Art Vorfinale beweisen, die Jury siebte noch fünf der neun Finalisten aus, dann durfte endlich der Zuschauer voten. Aufgetreten sind die Finalisten jeweils mit einem Coversong und erneut dem eigenen ESC-Contendersong.
Aufregung um Feuerschwanz
Im Vorfeld hatten sich zwei klare Favoriten herauskristallisiert, am klickstärksten stellte sich auf Youtube Feuerschwanz mit "Knightclub" heraus, dicht gefolgt von Abor & Tynnas "Baller". Nun warf Raabs Jury Feuerschwanz bei seinem spontanen Juryeinschub im Finale einfach raus. Schon bei Raabs Feedback zu deren Auftritt machte sich in den betretenen Mienen der Bandmember eine üble Vorahnung breit. Immerhin würden beim ESC zu 60% Frauen abstimmen, auch sowas müsse man in Betracht ziehen, hieß es.
Der Chef hat letztendlich ein Machtwort gesprochen und das abstimmende Publikum bevormundet. Immerhin kann man Raab nicht vorwerfen, er scheue sich davor, Verantwortung zu tragen. Sein proklamiertes Ziel war von Anfang an der erste Platz. Er traut sich selbst ein besseres Gespür für den Geschmack der breiten Masse zu als der breiten Masse selbst. Er hat alle ihm zur Verfügung stehenden Fäden gezogen, um seine Vision durchzusetzen und nun seinen Wunschkandidaten den Weg nach Basel geebnet. Jetzt sind die Wiener Abor & Tynna in der Pflicht, sich einen Platz auf dem Treppchen zu sichern, sonst wird es für Raab unbequem.
Abor&Tynna sind Deutschlands Kandidaten für den ESC
Das ergab das Zuschauervoting am Ende der Sendung. Übrig blieben für das Voting im Finale:
- The Great Leslie
- Leonora
- LYZA
- Moss Kena
- Abor & Tynna
Letztere wurden mit 34,9% der Stimmen zum Sieger gekürt. Nur knapp unterlegen war der TikTok-Star Lyza mit 31,1%. Die Wiener Geschwister präsentieren Gen-Z-Elektro-Pop/Rap, wie er zurzeit reichlich in den Charts vertreten ist. Immerhin treten die Österreicher zum ersten Mal seit 18 Jahren wieder mit einem deutschsprachigen Song beim ESC an. Soundtechnisch erinnern sie an Artists wie Nina Chuba, für deren Tour sie auch schon Voract waren. Ihr Song "Baller" hat unumstrittenes Ohrwurmpotential, Tynna eine tolle Stimme und Charisma, Abor begleitet auf dem Cello.
Warum ist die Resonanz im Netz dann wieder so negativ? "Haben wir wirklich nichts Besseres? Das arme Mädel singt, als wäre sie gerade besoffen in eine Karaoke-Bar gestolpert", steht beispielsweise in den Kommentaren des Youtube-Reuploads.
Einerseits ist Pessimismus beim ESC für Deutschland ein gesunder Selbstschutzmechanismus. Andererseits umweht den Auftritt leider tatsächlich ein gewisser Karaoke-Flair. In einer Bar würden sie damit zwar abreißen, aber für den ESC war die Vorentscheid-Performance zu wenig. Keine gute Atemkontrolle, zu wenig Kraft in der Stimme.
Dabei kann Tynna sehr gut singen. Gerade bei den Coversongs hat sie ihre exzellenten Gesangsqualitäten mehrmals unter Beweis gestellt. Nur bei dem eigenen Song will es nicht so richtig klappen. Leider war im Vergleich zur ersten Performance auch keine Steigerung zu erkennen. Während Acts wie JULIKA die Bühnenshow für das Finale noch einmal auf das nächste Level gehoben haben, begnügten sich Abor & Tynna weiter mit ihrer eher langweiligen Lazershow in Blau.
Trotzdem verbirgt sich unter all den Defiziten ein Contender fürs Treppchen. Vielleicht lag es dieses Mal an Tynnas eingangs erwähnter Angeschlagenheit. Erwartbar ist ein riesiger qualitativer Sprung in der ESC-Performance leider nicht, die Chance gab es jetzt bereits. Aber ein bisschen Optimismus schadet da nicht, und mindestens die Hälfte aller Verfasser von Hasskommentaren im Netz dürfte am selben Tag noch ein wütendes "Ballalala" vor sich hergebrummelt haben.
11 Kommentare
Ist.das.schlecht.
Jetzt wird es für Raab ungemütlich.
Verbrennt ihn!
"Immerhin würden beim ESC zu 60% Frauen abstimmen, auch sowas müsse man in Betracht ziehen."
Bei dem Satz fehlt noch das Detail, dass Frauen lieber Balladen hören und keinen Metal, weswegen Feuerschwanz sich offenbar nicht weiter qualifizieren konnten. Also das hat Stefan Raab so erklärt…
Gut. Das Ausland soll nicht merken, dass wir so die Kontrolle über uns verloren haben, dass mittlerweile sogar hochnotpeinliche Bands wie Feuerschwanz von vielen Deutschen für gut gehalten werden.
Mit dieser Schmach könnte ich nur schwer leben. Dann lieber null Punkte aber mit unserer Würde intakt.
Habe gestern über den Instakanal von der ARD einen Ausschnitt von dem Gewinnersong gehört. Also wenn man das als Auschnitt wählt, den man herumzeigt, will ich den Rest echt nicht (live) hören. Eher würde ich zu einem Isaakkonzert gehen. Ohhh.
Ich habe es gerade gehört und bin, gelinde gesagt, entsetzt! Was für ein generischer Schund...
Die Sängerin singt schon auf Halbplayback, weil die Stuttering-Passagen technisch nicht umzusetzen sind und klingt trotzdem mit der ersten Note so, als wäre sie außer Atem. Dazu waren einige Stellen mit dem Playback im Hintergrund einfach nicht harmonisch. Wenn man das jetzt mit Eurovision-Gewinnern wie Loreen vergleicht, fällt das schon stark ab und das einzige, was diese beiden vielleicht haben, ist ein einigermaßen catchiger Song und ein bisschen Authentizität. Hier in Deutschland bekommt der Eurovision-Kandidat wegen dem Raab-Effekt jetzt mehr Aufmerksamkeit, aber ob das für das internationale Publikum reichen wird, die Raab nie gekannt haben, ist die andere Frage.