Baba H nutzt die Gunst der Stunde für neue Musik - er geht aber nicht gerade den einfachen Weg.

Offenbach (ynk) - Es wäre eigentlich der absolute Selbstläufer gewesen. Haftbefehl ist gerade in aller Munde. Leute unterhalten sich über den Frankfurter Rapper, die seit Jahren keinen Deutschrap wahrgenommen haben, Schüler fordern seine Musik per Petition in den Deutschunterricht. Wenn ihr den Kassierer im Netto an der Ecke danach fragen würdet, hätte wahrscheinlich auch er eine Meinung zur Netflix-Doku "Babo - The Haftbefehl Story". Bedenkt man dazu, dass Tracks wie "069" gerade auch wieder hoch in den Streaming-Charts stehen, wäre es dumm gewesen, wenn der Mann den Moment nicht auch musikalisch mitgenommen hätte. Sein erster neuer Song ist trotzdem ein ziemlicher Curveball:

Erstens ist "Dünya Garip" kein Song von Haftbefehl als Lead-Artist. Zweitens wird nicht gerappt. Drittens wird auch kein Wort Deutsch gesprochen. Tatsächlich haben wir es mit einem kurzen Track des Projekts Oddworld - das ist die Zusammenarbeit der Deutschrap-Producer Minhtendo und Alexis Troy - zu tun, für die Haftbefehl zweimal eine gesungene Strophe auf türkisch zum besten gibt.

Vielleicht ist das gar nicht so dumm, denn nachdem Haftbefehl jüngst auf einer Show bekanntgab, sich nun endgültig von den Drogen abzuwenden, wäre es wohl ein bisschen konterintuitiv, sofort wieder mit einem Weißes-Puder-Rambo-Track wie "069" anzusetzen. Die Doku hat ja auch ihr Wesentliches getan, den Leuten einen Songwriter-Haftbefehl näher zu bringen. Beste Voraussetzungen also, ein bisschen künstlerische Bandbreite zu zeigen.

"Dünya Garip", soweit ich den Übersetzungen trauen kann, ist eine Geschichte über das Ankommen in Europa, wo die Welt geldversessen und düster ist. Ein Bruder vermisse seine Heimat, sagt er, der Titel lässt sich als "die Welt ist seltsam" übersetzen. Musikalisch bekommen wir hier sphärisch-elektronischen Sound, es lässt sich mutmaßen, dass die Producer Sachen wie James Blake oder Bon Iver gehört haben könnten.

Es kriegt es auf jeden Fall gut hin, Hafti in dem neuen Glanz des Prädikats 'ernstzunehmender Künstler' zu sonnen. Und wahrscheinlich ringt dieser Sound vielen Leuten Respekt ab, immerhin ist das Stück schon ganz cool. Ob wir jetzt ein ganzes Haftbefehl-Gesangs-Album erwarten sollten und ob in seiner richtig erwachsenen Phase nicht ein bisschen von seinem eigentlichen Charme verloren gehen könnte, bleibt abzusehen. Für eine richtige Diagnose ist "Dünya Garip" eh viel zu wenig Musik. Was es als einzelnen Schnipsel aber nicht weniger interessant und vielversprechend macht.

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Haftbefehl

Haftbefehl,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Haftbefehl,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Haftbefehl,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Haftbefehl,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Haftbefehl,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Haftbefehl,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Haftbefehl,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Haftbefehl,  | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen)

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