Matthias Manthe über den Röyksopp-Kurzfilm, den "Whale Watching"-Tourstopp in Berlin und Justin Vernons Kiffsitzung mit Rick Ross.
Berlin (mma) - Das norwegische Elektropopduo Röyksopp holt aktuell aus zur nächsten Runde: "Junior" war gestern (2009), bald (im September) kommt der "Senior". Dem Disco-infizierten und dank vieler Sängerinnen äußerst poplastigen Vorgänger soll jetzt die "erwachsenere" instrumentale Hälfte zur Seite gestellt werden.
Wie ernst es Svein Berge und Torbjørn Brundtland mit den Begriffen "erwachsen" und "Senior" ist, zeigt jetzt ein zehnminütiger Kurzfilm. In "Röyksopp's Adventures in Barbieland" schlüpfen die beiden in die Rolle eines alten Mannes respektive eines schlafenden Hobos. In langsamen Bildern verknüpft Regisseur Andreas Nilsson die gemächlichen, ambienten Klänge von "Senior" mit einem surrealistischen Erzählteppich, der unter anderem schwangere Barbiepuppen aufbietet.
Atmosphärisch gelingt der Film, während der Inhalt naturgemäß recht diffus rüberkommt. Kein Wunder: Angeblich haben Röyksopp diese Geschichte eines Nachts erträumt. Den Titel "Drugs" gibt es übrigens schon jetzt zu hören:
Whale Watching mit Islands Indies
Eigentlich sollte das Berlin-Konzert der "Whale Watching Tour" ja schon im April stattfinden. Ein Vulkan namens Eyjafjallajökull kam dazwischen, weshalb am Sonntag stilecht im Admiralspalast nachgeholt wurde. Das Prinzip: Künstler des isländischen Indielabels "Bedroom Community" performen gemeinsam und an wechselnden Instrumenten Songs aus dem Katalog der Beteiligten.
Der amerikanische Murder-Ballads-Folker Sam Amidon, der avantgardistische Ambient-Krachforscher Ben Frost (u.a. Björk), Nico Muhly (klassischer Komponist für Antony Hegarty, Grizzly Bear) sowie der Elektroakustiker Valgeir Sigurðsson (Produzent/Musiker für Bonnie "Prince" Billy, CocoRosie) erschaffen durch Reduktion und Addition ein Amalgam aus akustischer Elektronik, gewaltigen Noisescapes und traditionellem Folk. Eine Violinistin und ein Cellist vervollständigen die Runde.
Ein phantastisches Konzert, das erneut die Frage aufwirft, warum anderswo nicht Vergleichbares geschieht. Liegt es wirklich nur daran, dass musikalische Frühbildung in Island eine Selbstverständlichkeit ist und mit dem Schulabschluss der Nachwuchs diverse Instrumente beherrscht? Oder ist es die Freiheit vom Genre-Klassendenken der dortigen Künstler, die nicht nur innerhalb der "Bedroom Community" regen kreativen Austausch pflegen? In was für eindrucksvollen Rekombinationen solche Kooperation münden kann, zeigt seit einigen Jahren auch das kleine Festival Aldrei fór ég suður im Nordwesten der Vulkaninsel. Auf jeden Fall Vorbildcharakter.
Bon Iver-Leader singt für Kanye West
Schwer beeindruckt zeigte sich vergangene Woche auch Bon Iver-Kopf Justin Vernon. Aus einer Sample-Anfrage von Kanye West wurde eine unwahrscheinliche wie tiefgehende Kooperation, als der Hip Hop-Superstar den Singer/Songwriter nach Hawaii einlud, um gemeinsam an Songs für Wests kommendes Album "Dark Twisted Fantasy" zu arbeiten.
Bei mindestens zehn Tracks hat Vernon am Ende mitgewirkt, definitiv auf dem Langspieler enthalten sein wird voraussichtlich "Lost In The World", das auf einem Sample des Bon Iver-Stücks "Woods" basiert. Im Pitchfork-Interview erklärt ein nach wie vor begeisterter Justin Vernon, wie es zu der Kollaboration kam.
"I'm just a dude in a t-shirt who smells like shit", weshalb er umso faszinierter war vom Besuch in Wests Studio auf Hawaii. "I was literally in the back room rolling a spliff with Rick Ross talking about what to do on the next part of a song. It was astonishing. Kanye came back and was like, "Look at you two guys. This is the craziest studio in the Western world right now!"
Das ganze Interview inklusive respektabler elf "shits" aus dem Munde Vernons gibt es auf Pitchfork.
!!! im Stream
Auf ebendieser Webseite outet sich auch !!!-Sänger Nic Offer als Bon Iver-Fan: Im Alter von 35 Jahren war deren "For Emma, Forever Ago" jedenfalls sein persönlicher Meilenstein. Hätte man's gedacht? Den diese Woche anstehenden !!!-Neuling "Strange Weather, Isn't It?" stellt KCRW netterweise komplett in den Stream.
Warpaint
Anspieler der Woche sind Warpaint. Die vier Frauen aus Los Angeles zählen mit nur einer veröffentlichten, selbstbetitelten EP zu den dringlichsten Anwärterinnen auf den Art-Rock-Thron 2010. Red Hot Chili Peppers-Gitarrist Josh Klinghoffer darf sich den Warpaint-Ex-Mitglied-Button anstecken, der Londoner Rough Trade-Shop kann die Nachfrage für besagte EP aktuell kaum noch befriedigen, und beim SXSW gehörte die Warpaint-Hausmarke aus Psychedelic-, Shoegaze- und Indierock zu den gefragtesten Neuvorstellungen überhaupt.
Das Debütalbum "The Fool" erscheint Ende Oktober. Wir sind gespannt, ob es die Erwartungen, die das Video zu "Elephants" aufbaut, erfüllen kann.
Berlin-Korrespondent Matthias Manthe berichtet in seiner wöchentlichen Kolumne über Themen, die wir gegen seinen ausdrücklichen Wunsch "indie" nennen. Feedback und Anregungen gerne direkt an matthias@laut.de.
1 Kommentar
Tatsächlich ist die 2009 erschienene Debut-EP von Warpaint nicht selbstbetitelt, sondern trägt den hübschen, metal-affinen Namen "Exquisite Corpse". Relativ leicht erhältlich ist der Silberling ebenfalls noch. Auch die darauf befindliche Musik, welche sehr viel weniger schwermetallische Teilchen enthält als Bandname und EP-Titel suggerieren möchten, macht durchaus Lust auf mehr...