Konzert-Review: Olivia Rodrigo live in Köln

In der ausverkauften Lanxess-Arena überzeugt die US-Pop-Sängerin mit Blockbuster-Entertainment und 90s-Rock-Referenzen.

Köln (rnk) - Man sollte nicht den Fehler begehen, Olivia Rodrigo mit der Bürde einer Punk-/Indie-Künstlerin zu belasten. Sie komponiert den Soundtrack der Gen Z, die in den Platten ihrer coolen Eltern wühlt und daraus das Spannendste auswählt. Dieser Candy-Feminismus mag manchen sauer aufstoßen, macht aber unter dem Strich extrem viel Spaß. Rodrigos Alben "GUTS" und "Sour" sind sicherlich nicht das "Live Through This" oder "Pussywhipped" ihrer Generation, man hört sie jedoch gerne, weil es einfach gute Pop-Alben sind.

Mehr sollte man besser nicht hinein interpretieren. Wie auch, wo Olivia gerade mal 21 Jahre alt ist und in den Texten die Dramen der Adoleszenz verarbeitet: Trennungsschmerz, der Übergang von Kindheit zum herausfordernden Erwachsenenleben. Das sind Dinge, mit denen sich ihre gleichaltrigen Fans identifizieren. Im Madison Square Garden eröffneten noch The Breeders, deren Einfluss man gerade auf "GUTS" hört. Leider bekommt man dieses Package hierzulande nicht geboten. Es wäre spannend zu sehen, wie die Jüngeren darauf reagieren. An diesem Kölner Abend heißt der Support Remi Wolf - solider Indie-Funk-Rock, der relativ schnell sehr gleich klingt. Dafür ist die Bühnenpräsenz umso spektakulärer. Sie wirft sich auf den Boden, hüpft und springt nonstop über die Bühne. Bei der Cover-Version "Valerie", wahrscheinlich am bekanntesten durch das Amy Winehouse-Cover, sind dann endgültig alle auf der Seite des sympathischen Energiebündels.

Breeders, Hole, frühe Radiohead

Der große Auftritt, samt riesiger LED-Wand, gebührt natürlich dem Main Act an diesem Abend, die im Gegensatz zu vielen anderen Künstler*innen tatsächlich auf die Minute genau um 20:30 Uhr anfängt. Die vielen Eltern im Rund der Lanxess Arena dürfte es freuen, denn so kommen ihre Liebsten wirklich mal pünktlich ins Bett. Was natürlich nicht heißen soll, dass hier nur Bubblegum-Teen-Punk läuft. Vor allem "GUTS" steckt voller 90s-Referenzen, egal ob sie nun Breeders, Hole oder frühe Radiohead heißen.

Wer ganz genau zuhört, findet auch The Cure und wahrscheinlich noch andere Bands, die von der Generation Z dank Streaming binnen Sekunden entdeckt werden. Die meist jungen Fans reißt es schon beim Video-Intro "The Door" von den Sitzen und sie werden sich genau keine Sekunde in den nachfolgenden zwei Stunden wieder hinsetzen.

"Bad Idea, Right?"

Es ist einfach zu gutes Material und Rodrigo bietet perfektes amerikanisches Entertainment. Die grungigen "Vampire" und "Bad Idea, Right?" kommen schön krachig von der Bühne, während die 21-Jährige in ihren Boots wirklich wie die Mainstream-Version von Kathleen Hannah (Bikini Kill) aussieht. Hannah empfindet Rodrigo übrigens nicht als freche Nachahmerin, sondern ist voll des Lobes darüber, dass Songs wie "Good 4 You" für ein großes Publikum eine starke Position gegen einen Rechtsaußen wie Joe Wade einnehmen. In den rockigen Momenten ist das sehr mitreißend, etwas gefälliger dagegen der Balladen-Teil mit "Teenage Dreams".

Da sieht man etwas sehr rührselige Kinderaufnahmen, während Olivia über Träume der Kindheit schmachtet. Aber wir sind hier auch nicht im Gebäude 9 bei einem Indie-Gig vor 500 Fans queer-feministischer Kampfansagen. Rodrigo bedient ein großes Stadion-Publikum mit Tänzern und Live-Band, bei deren Auswahl sie darauf achtete, ein "LGBTQIA+"-Spektrum abzubilden.

Rodrigos Mondfahrt zu den Sternen

Irgendwann im Mittelteil kommen auch die Sterne runter und zu "Logical" präsentiert sie eine Rundfahrt auf einer riesigen Mondsichel. Hier erreichen die Fans ungeahnte Dezibel-Höhen, was bei allen über 35 zu schmerzhafter Trommelfell-Massierung führt. Doch bei allem Spott über lustiges Teenie-Verhalten: Olivia Rodrigo ist aktuell der bestmögliche Einstieg im Bereich Pop-Rock für diese Hörergruppe. Irgendwann lesen sie auch ein Interview ihres Stars und entdecken bei Spotify den RrriotGrrl-Kram, den ihre Heldin unnormal abfeiert. Besser als Shirin David oder der andere unerträgliche, deutsche Pop-Bodensatz, mit Hauptauftrag Lebensmittel-Marketing.

"Obsessed", mit Rodrigo an der Gitarre, bleibt ein toller Rock-Song, egal wie kommerziell oder authentisch der Background sein mag. Am Ende gibt es Konfetti-Regen und das süße Teeanger-Paar in der Reihe vor mir knutscht zu den herunterfallenden Papier-Sternchen. Sie werden wahrscheinlich schon am Ende des Sommers nicht mehr miteinander ausgehen, aber sicherlich eine schöne Erinnerung an dieses sehr gute Konzert im Gedächtnis behalten.

So klingt es, wenn man heute 21 ist und eigentlich ist das ziemlich gut. Papa freut sich über den Sound seiner Jugend, Tochter daneben flippt aus. Beide glücklich, wie man den Menschen ansieht, die aus der Halle strömen. Mal schauen, inwieweit der Mainstream auch Olivia Rodrigo irgendwann komplett vereinnahmt, aber gegen die aktuelle Konsenskünstlerin ihrer Generation lässt sich absolut nichts Negatives sagen. Blockbuster-Entertainment mit Indie-Zitaten, der alle reinholt, ist genau das, was eine gespaltene und zänkische Gesellschaft braucht.