Der Artist aus Singapur bringt ein neues Rockstar-Image und eine Armee an sehr gut gekleideten Simps in die Columbiahalle.
Berlin (ynk) - Es gibt kaum Schöneres, als an der U-Bahn-Station zu 100 Prozent verlässlich vorhersagen zu können, wer gerade auf dem Weg zur selben Show ist. Das Berliner Yeule-Konzert gestern Abend war nun wirklich ein Großevent bezüglich 'coole-Outfits-Gucken'. All die Kids, die vom Platz der Luftbrücke zur Columbiahalle stromerten, sahen einer cooler aus als der andere: queer, gothy, industriell, kantig. Da kam man direkt in Stimmung, sich Hipster- Musik anzuhören.
Und, oh boy, die gab es zu hören: Schon Support-Act Daine wirkt wie eine etwas hyperpoppigere Version des Hauptacts. Daine betritt die Bühne mit zwei Gitarristen, von denen einer aussieht, als gehöre er einer Britpop-Band an, der andere würde sich perfekt in eine 2000er-Nu-Metal-Band einfügen. Von schrillen, angsty Autotune-Balladen steigern sie sich in ein Finale hinein, das eine schreiende Daine nahe am Stoner-Metal präsentiert. Die Reichweite ist beeindruckend, die Bühnenpräsenz solide - auch wenn man zwischendurch etwas mit der Tontechnik zu kämpfen hat. Foreshadowing?
Ulkigerweise trifft das Venue die Entscheidung, die folgende 30-minütige Pause mit Reggae zu überbrücken, die Stimmung bleibt dennoch ungebrochen gut. Die Leute haben Bock auf Yeule, sie haben Bock auf "Evangelic Girl Is A Gun". Geht es den anderen ähnlich wie mir, dann ist da auch einfach eine Portion Neugierde im Spiel: Yeules Selbstinszenierung spielt so viel damit, them als diesen irrealen Internet-Geist zu präsentieren, dass man sich einfach kaum vorstellen kann, wer diese reale Person sein wird, die da gleich auf der Bühne steht.
Und tatsächlich macht die Live-Performance etwas mit dem eigenen Bild des Artists. They wirkt um einiges menschlicher. Man muss sagen, dass die Performance schon ein bisschen damit spielt, dass they weiß, dass da ein Saal voller Simps vor them steht - und they scheint das auch zu genießen. Yeule hittet die Knofensa, wenn they gerade nicht hinter einer Gitarre verschwindet, werden immer wieder Posen gehittet. Einmal macht they das Ding, bei dem they am Hals der Gitarre leckt. Kurz darauf kichert they und sagt sinngemäß: "Sowas mögt ihr doch!".
Ein Brett
Das Spannende an der Inszenierung ist, dass wir es tatsächlich mit einer Bandversion zu tun haben. Yeule kommt mit Gitarrist und Drummer, es gibt zwar ein paar Electronica via Backtrack, aber gerade die Songs der früheren Alben werden in ihren Arrangements ziemlich verändert. Stellenweise geht das ziemlich ab, der Titeltrack "Evangelic Girl Is A Gun" war auf jeden Fall ein Brett.
Manchmal macht es aber überraschend wenig Unterschied, wie bei "Don't Be So Hard On Your Own Beauty". Alles klingt ein bisschen direkter und homogener als auf den Alben, eine von Yeules großen Stärken geht so etwas verloren: dieses verschmelzende Spiel mit elektronischen und organischen Texturen. Aber auch, wenn der Originalsound manchmal fehlt, muss man derlei interessante stilistische Entscheidungen respektieren.
Eine Sache darf man dennoch als klares Manko benennen: Woran es gerade im ersten Drittel der Show gelegen hat, lässt sich schwerlich sagen, aber technische Probleme, eine kaum hörbare Gitarre und ein scheinbar sehr ungleichmäßiger Monitor bringen them ein paar Mal ziemlich aus dem Konzept. So fallen einige Vocal-Performances gerade anfangs eher rough aus. Es scheint, als würde Yeule nicht perfekt in die eigenen Tonlagen finden und sich davon zusätzlich verunsichern lassen.
Natürlich lässt sich die Crowd, eine wundervolle, süße Armee an Simps, davon überhaupt nicht die Freude nehmen. Und es wirkt tatsächlich so, als hätte Yeule ab der Hälfte des Abends verinnerlicht, dass auch eine nicht perfekte Show Spaß machen kann - und von da an klingt vieles deutlich besser. Nein, es ist keine smoothe und handwerklich extrem beeindruckende Performance, aber es ist eine sehr sympathische, energiereiche Cybergoth-Messe. Und auch auf dem Weg zurück zur U-Bahn ist es ein Fest, all den großartigen Outfits hinterherzugucken.
3 Kommentare
Wirkt so, als hätte Yannik das ganze Geyeule ganz gut zusammemgefasst.
Liest sich ja grauenhaft. Zum Glück habe ich mir doch kein Ticket gekauft.
Wer nennt das Cybergoth? Tumblr?