So sieht man den Pop-Superstar nur selten: Pink spielte vor nur 600 Fans einen geheimen Gig in der Berliner Columbiahalle. laut.de war dabei.
Berlin (mab) - Wenn P!nk in Berlin auftritt, sieht das normalerweise so aus wie im August 2017 in der Waldbühne: Rund 20 000 Besucher, fettes Stage-Setup inklusive hundert Meter langem Laufsteg, durchgeplante Choreographie. Nur wenige Monate nach diesem Konzert kehrte die Sängerin nun zurück – und verzichtete auf all das. Im Rahmen der ersten Ausgabe von 'ProSieben In Concert' spielte sie in der deutschen Hauptstadt für eine für ihre Verhältnisse winzige Anhängerschar. Tickets waren nur via Gewinnspiel erhältlich; wo genau die Party starten sollte, blieb bis einen Tag vor dem Event geheim. Die etwa 600 Informierten bezeugten definitiv ein außergewöhnliches Konzert – was allerdings mehr an der Ausgangslage als an der Showqualität lag.
So intim wie eine Besucherzahl von 600 Leuten nahelegt (die dpa meldet 800, wir berufen uns auf eine Angabe der PR-Agentur), ist die Columbiahalle – der Ort des Geschehens – freilich nicht. Eigentlich fasst die einstige Sporthalle gut die fünffache Menge an Zuschauern. Normalerweise spielen hier Acts der Größenordnung Stone Sour, HIM und Johannes Oerding. Zum besonderen Anlass hängt der Veranstalter heute jedoch weite Teile des Besucherraums ab, sperrt den Balkon fürs Kamerateam und schwupps herrscht heimelige Kuschelstimmung.
Eine solche verbreiten die strengen Sicherheitsvorkehrungen zwar nicht. Gleich drei Stationen muss man durchlaufen, um in den Hauptraum zu gelangen, nicht einmal DinA4-Taschen sind erlaubt und Metalldetektoren doch eher ein ungewöhnlicher Anblick auf Konzerten hierzulande. Naja, sicher ist sicher. Immerhin hat man so die Hände frei, um seinem Idol später das Smartphone ins Gesicht zu recken.
Popstar zum Anfassen
Pünktlich um 20 Uhr stiefelt Moderator Thore Schölermann auf die Bühne und begrüßt die Anwesenden: "Habt ihr denn alle schon ein Foto mit den The Voice-Stühlen im Foyer gemacht?" Wer seiner Aufforderung nachkommt und das Ergebnis auf Instagram postet, hat die Gewinnchance, P!nk morgen gleich noch einmal live zu sehen – beim The Voice Of Germany-Halbfinale. Ob man dort jedoch so auf Tuchfühlung mit dem Star gehen kann wie heute?
Schon beim zweiten Song steigt P!nk nämlich von der Bühne herab und widmet sich ausgiebig den Berührungswünschen ihrer Fans. Einen küsst sie, ein anderer kriegt sein Selfie, die allermeisten in den vorderen Reihen bekommen zumindest ihre Hand zu spüren und als die Dame zurück auf die Bühne kehrt, schleppt sie einen ganzen Haufen Geschenke unterm Arm. Nachdem "Get The Party Started" schon für einen zünftigen Einstieg gesorgt hat, sind ihr jetzt Dutzende Sympathiepunkte sicher.
Zuhören oder doch lieber unterhalten?
Solche verdienen auch P!nks Backgroundsängerinnen. Statt nämlich wie bei den Stadionshows perfekt aufeinander abgestimmt Synchrontanz zu praktizieren, dürfen sie heute machen was sie wollen. Dass dabei einige Bewegungen ziemlich in die Hose gehen, bringt die beiden selbst zum Lachen, ist der generell gelösten Atmosphäre aber eher zu- als abträglich. P!nk selbst reißt Witze über ihre ziemlich locker sitzenden Baggypants, schmiegt sich an Gitarrist Justin Derrico (insbesondere ihm kommt das reduzierte Setup zugute, steht er doch wesentlich mehr im Fokus als sonst), führt aber insgesamt doch eher routiniert denn enthusiastisch durch den Abend. Natürlich: Wer es schafft, weitaus größere Bühnen zu dominieren, hat auch hier – allein was die Präsenz angeht jedenfalls – alles im Griff. Doch man wird das Gefühl nicht los, sie würde statt ihre Performance zu verändern, sie in erster Linie schlicht herunterfahren.
Zweifellos spielt P!nk in der Columbiahalle ein gutes Konzert. Aber man muss ehrlich sagen: Ohne den großen Namen wäre es auch nicht mehr als das. Ohne Bombastshow ist P!nk einfach nur eine Band wie Hunderte andere: starke Frontfrau, aber nimmt man die jede Crowd erfreuenden Publikumsbesuche mal weg, bleibt von der Performance tatsächlich nicht mehr allzu viel Bemerkenswertes übrig. Oben angesprochene Unperfektheiten sind eben auch nur deshalb besonders, weil man sie von einem Act dieser Größe nicht gewohnt ist. Das gleiche Prozedere bei Band XY würde höchstens ein Schulterzucken hervorrufen.
Vielleicht erklärt genau das auch den hohen Gesprächslautstärkepegel, als P!nk in der Mitte des Sets den Großteil ihrer Musiker von der Bühne schickt, um zwei Songs akustisch – Gitarre, Geige, Gesang – vorzutragen. Während im Publikumsbereich vor dem Balkon der Smartphone-Teppich stabil stehen bleibt, nutzen im Bereich unter dem Balkon tatsächlich die allermeisten der dort stehenden Besucher die Gelegenheit des ruhigen Intermezzos, um zehn Minuten lang zu quatschen. Ob man nun P!nk und "F**kin' Perfect" lauscht oder lieber im Raunen meditiert, kann man sich an diesem Punkt der Show aussuchen.
Ohne Zugabe back to business
Immerhin die vorderen Reihen konzentrieren sich voll und ganz auf Alecia Beth Moore und beschenken sie mit Strampelanzug und Kuschelfrosch fürs bald einjährige Söhnchen. Die Sängerin bedankt sich mit einem druckvollen Mashup aus "Funhouse" und No Doubts "Just A Girl", bevor sie den Gig nach knapp einer Stunde mit "So What" zu Ende bringt. Das Abschiedswinken erfolgt eher beiläufig, plötzlich ist die Band von der Bühne gekehrt und Thore Schölermann steht wieder da. Schließlich gabs ja ein Gewinnspiel. Er holt eine völlig aufgelöste Fanin auf die Bühne, redet von The Voice Of Germany. Wer eine Zugabe möchte, muss eben morgen den Fernseher einschalten. Tja, Pech gehabt.
Aber naja, einem gewonnen Gaul ist man deswegen nicht wirklich böse und so gehen die Anwesenden trotzdem begeistert nach Hause. "Ach, war das schön", lautet der Tenor beim Verlassen der Halle. So ein exklusives Laminat kriegt man schließlich auch nicht alle Tage um den Hals gehängt:
Die Setlist war zwar nicht allzu lang, dafür präsentierte P!nk ein bisschen von allem – wenn man denn zuhörte, statt sich zu unterhalten. Das neue Album "Beautiful Trauma" kam mit dem Titelsong und "What About Us" zum Zug, dazu gesellten sich die bekannten Hits (etwa "Try") und angesprochenes Akustik-Zwischenspiel – ein Querschnitt durchs Schaffen, der zwar im Vergleich zum Arena-Setup etwas an Durchschlagskraft verlor, aber für die Fans eben durch Nähe zum Superstar gewann. Denn hey: ein Meter Abstand zwischen Wellenbrecher und Bühnenrand, statt zehn oder zwanzig, sind bei einem P!nk-Konzert eben doch etwas Besonderes. Ob das nun am Starstruck-Phänomen liegt, ist im Augenblick des Geschehens doch eher zweitrangig.
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