laut.de-Biographie
Paul Weller
Als Paul Weller 1975 die britische Pop-Sensation The Jam gründet, ist er gerade mal 17 Jahre alt. Geboren am 25. Mai 1958 in Woking/Surrey, feiert der im Laufe seiner Karriere von vielen Kritikern als genial verehrte Songwriter schon jung in den britischen Charts Erfolge.
The Jam mutiert weltweit zur Legende. Sieben Jahre reichen dem "Godfather Of Mod" aus, bis er 1982 im sonnigen Süden Italiens beschließt, die Band aufzulösen. Einer der Gründe ist die musikalische Entwicklung seiner Bandkollegen Rick Buckler und Bruce Foxton.
Ein Jahr später ist er wieder im Geschäft. Mit Mick Talbot, dem ehemaligen Mitlied der Mod-Band Merton Parkas, gründet er The Style Council, die ihren Akzent eher auf Jazz und Soul setzen. Weller spielt Gitarre und singt, Taylor sitzt am Keyboard.
Mit stimmlicher Unterstützung von Sängerinnen wie Dee C. Lee, die schon bei Wham im Background gesungen hat, oder Tracy Thorn von Everything But The Girl, feiern sie bemerkenswerte Erfolge. Dabei geraten Wellers gefühlvolle und politische Texte immer mehr in den Vordergrund. Mit Auftritten bei Londoner Friedensveranstaltungen zeigt er politisches Engagement.
Auch bei der "Red Wedge Tour" von 1986 spielen Style Council einige Konzerte. Mit dabei sind linksgerichtete Bands wie die Communards, Billy Bragg und Madness, die sich während dieser Tour gegen Margaret Thatchers Tory-Partei stellen.
Nebenbei schreibt Weller 1986 einen Song für den Film "Absolute Beginners", mit David Bowie in der Hauptrolle. Noch im selben Jahr heiratet er seine Backgroundsängerin Lee. Weitere Chartplatzierungen folgen. Als Style Council 1989 ein neuer Plattenvertrag verwehrt wird, löst sich die Band auf.
1992 veröffentlicht Weller sein selbst betiteltes Solodebüt. Das Album bietet eine vielseitige Mischung aus Soul, R'n'B und Rock. Die Musikpresse lobt das Werk, das den Sprung in die britische Top 10 schafft. Auch die Singleauskopplungen "Uh-Hu-Oh-Yeh" und "Above The Clouds" werden Hits. Wellers Comeback weitet sich sogar auf die USA aus. Sein Solo-Erfolg ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sogar größer als der seiner ehemaligen Bands. Ausverkaufte Konzerte und Millionen Zuschauer während eines Auftritts bei Johnny Carsons TV-Klassiker "Tonight Show" zeugen von seiner Popularität.
1996 sorgt Weller für negative Schlagzeilen, als er wegen eines angeblichen Vergewaltigungsdeliktes vor Gericht zitiert wird. Obwohl er freigesprochen wird, schadet das Verfahren seinem Image erheblich. Weller fordert anschließend, dass das britische Rechtssystem in solchen Fällen verstärkt auf Anonymität achten sollte: "Vergewaltigung ist verachtenswürdig und dieses Verbrechens angeklagt zu werden, war einer der deprimierendsten Augenblicke in meinem Leben."
1999 schafft es Weller mit "Heliocentric" wieder in die Charts. Auf der anschließenden UK-Tour singt er gemeinsam mit Kelly Jones, dem Sänger der Stereophonics, seinen Song "The Woodcutters Son". Auch bei den Rüpelrockern von Oasis erscheint er auf der Bühne, um den Song "Don't Look Back In Anger" am Piano zu begleiten.
Doch nicht nur für die Stereophonics oder Oasis ist Paul Weller ein Idol. Sein musikalischer Einfluss beginnt im Zuge des Mod Revivals in den 80ern bei den Smiths und setzt sich bis hin zur Britpop-Bewegung in den 90ern fort. Auch im neuen Jahrtausend gelingt es dem Mann, Akzente zu setzen und kommerziellen Erfolg zu erzielen, ohne seinen Stil aufzugeben. Nach dem Studioalbum "Illumination" (2002) erscheint 2003 mit "Fly On The Wall" eine schön verpackte Soloretrospektive auf drei CDs.
Und wo er gerade am Covern ist, macht er da einfach weiter. "Studio 150" (2004) ist ein Feldversuch mit einigen Weller-Favoriten, darunter Songs von Leonard Cohen und Ben Harper, den Beatles und John Lennon, die Weller in seinen ureigenen Soul- und Jazz-Kontext setzt. "Ich entschloss mich, Songs zu covern, die nicht von vornherein meine absoluten Lieblingssongs waren, aber die ich gut neu und zu etwas Eigenem umformen könnte", lässt er bezüglich der Songauswahl wissen.
Ende 2005: von Maximo Park über die Kaiser Chiefs bis hin zu den Libertines und Babyshambles ist schon wieder eine neue Generation an Weller-Enkeln herangewachsen. Zeit, dass Opa Paule mal wieder dazwischen funkt. Dies geschieht Ende 2005 mit "As Is Now", das er in Noel Gallaghers Wheeler End Studios aufnimmt. Das Ergebnis zeigt dann auch die unterschiedlichsten Facetten seines Könnens auf, die der Meister in 28 Jahren Karriere angesammelt hat. Nicht nur mit dem Single-Rocker "From The Floorboards Up" verbeugt er sich endlich ohne schlechtes Gewissen vor seiner eigenen Vergangenheit.
Die Rückbesinnung findet auf den Konzertbühnen ihre Weiterführung. Weller tourt das restliche Jahr ausgiebig und legt auch 2006 noch ein paar Konzerte in Europa und Japan drauf. Im Sommer erscheint vom London-Konzert im Dezember 2005 das Live-Doppelalbum "Catch-Flame", worauf auch alte The Jam- und Style Council-Songs Platz finden. Ein runder Abschluss für eine erfolgreiche Rückkehr des Modfathers mit einer Top 5-Platzierung für "As Is" in England. Nach den Tour-Strapazen freut sich der Brite, wieder mehr Zeit mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn verbringen zu können.
Aufgrund der immensen Ticket-Nachfrage schiebt Weller im November/Dezember 2006 noch einmal 16 Konzerte im Vereinigten Königreich nach. Aus den USA erreichen den Sänger kurz vor Weihnachten ähnliche Neuigkeiten: Für seine fünf angesetzten Shows in New York und Los Angeles im Januar/Februar 2007 gab es bereits nach fünf Minuten keine Tickets mehr, so dass eine Zusatzshow hinzukommt. Karriererekord für Paul Weller.
Nachdem er bei den Brit Awards 2007 den "Lifetime Achievement Award" entgegen nimmt, fühlt er sich bereit für neue Songwriting-Aufgaben und setzt diese im Black Barn Studio in Surrey um. Im Jahr 2008 ist es dann Zeit für Wellers neuntes Studioalbum. "22 Dreams" erscheint am 30. Mai.
Überhaupt ist 2008 ein besonderes Jahr für den Modking: Fünf Tage vor der Veröffentlichung feiert er seinen 50. Geburtstag. Seine Fans dürfen sich im Gegenzug an insgesamt 21 neuen Songs auf "22 Dreams" freuen, das Weller wieder selbst produzierte. Neben seinem langjährigen Gitarristen Steve Craddock listet das Werk auch Gastauftritte von Little Barrie, Noel Gallagher, Gem Archer und Graham Coxon. Grund genug, für die Marketingabteilung seines Labels zu jubilieren: Erstmals Blur- und Oasis-Mitglieder auf einem Album.
Zwei Jahre später heißt es "Wake Up The Nation", das Album gemahnt mit seinem juvenilen Furor an alte The-Jam-Zeiten. Kaum ein Zufall, dass mit Bassisst Bruce Foxton sein alter Weggefährte aus der goldenen Ära des legendären UK-Trios unter den Gastmusikern ist.
Und Weller bleibt, chronisch produktiv wie eh und je, bei seiner verlässlich hohen Schlagzahl. 2012 kündet "Sonik Kicks" von des Modfathers Vorlieben für krautige Sounds zwischen Can und Neu!, drei Jahre später gibt es mit "Saturns Pattern" ein soundtechnisch nicht unähnliches, dabei deutlich fokussierteres Werk, das beste Kritiken einfährt. In London feiert zu dieser Zeit "About the Young Idea" seine umjubelte Eröffnung, eine von Wellers Schwester Nicky liebevoll zusammengetragene Ausstellung mit The-Jam-Memorabilia und Originale. Rufe nach einer Reunion werden wieder einmal laut, den Modfather kümmert das kaum.
Anno 2017 wird erneut ein prallvolles Jahr für den "Changingman": Mit der Musik zum Boxerdrama "Jawbone" veröffentlicht er seinen ersten Soundtrack, mit "A Kind Revolution" gibt es das 13. Solo-Album, für den Herbst steht eine große US-Tour an, im Frühjahr 2018 schließlich die Tour durch britische Arenen. Im selben Jahr gibt es noch auf "True Meanings" verträumt friedliche Songs. Die beiden Nachfolger "On Sunset" und "Fat Pop (Volume 1)Fat Pop (Volume 1)", die 2020 und 2021 erscheinen, bilden eine Soundreise durch verschiedene Genres. Mit "On Sunset" schafft es Weller auch in seiner fünften Dekade als aktiver Künstler auf die Pole Position der britischen Album-Charts, womit er in einer Reihe mit John Lennon und Paul McCartney steht.
Danach lässt der Brite sich fast schon Zeit, erst im Mai 2024 erscheint "6666" in eben diesem seinem Lebensjahr. Mit den letzten beiden Releases kann es leider nicht mithalten. Selbst das Ziel, ein Schnulzenalbum zu machen, verfehlte Weller. Es bleibt ja der nächste Versuch.
1 Kommentar
Ach, der Paul... Ein großartiger, vielseitiger Musiker, auch noch politisch engagiert auf der richtigen Seite, dazu nicht wie einstmals die Stones und Konsorten auf einer never ending Greatest Hits Tour die eigene Vergangenheit verwaltend - mehr kann man eigentlich nicht wollen. Hab nur seit ummerer 2010 das Problem, dass seine Platten immer mehr Wundertüten gleichen: Absolut großartige Songs neben (durchaus gelungenen) Belanglosigkeiten, stilistisch recht inkonsistent. Weniger output mit ner klaren Orientierung würde da manchmal helfen - einfach mal geradeaus rocken (ja, das kann er und wie) und von mir aus das nächste Mal wieder souljazzen oder wonach ihm halt gerade so ist, das wär schön, die seit längeren doch sehr gemischten Tüten ergeben mir zu oft kein wirkliches Ganzes. Aber natürlich bleibt er eine grenzgeniale Ausnahmeerscheinung im oft genug grenzdebilen Musikzirkus, also: Lebe lang und glücklich, Paul! Und mach uns weiter glücklich mit deiner Musik, Amen