laut.de-Kritik

Extra, extra und kein bisschen zu viel.

Review von

Paula Carolina liebt das "Extra". Der Blick auf das Cover ihres Debütalbums lässt schon erahnen, was da wartet, spätestens der gleichnamige Opener bestätigt: "Ich glaub', du machst das extra, extra". Gut so, gibt ihr schließlich ihr turbomäßiger Erfolg der vergangenen zwei Jahre recht: Im rockigen NDW-Gewand mit lauten Gitarren und aufregenden Lyrics sorgt sie für willkommene Abwechslung in der deutschen Indieszene.

"Extra" umfasst zehn Songs, über die Hälfte erschien bereits vorab. Es geht um die Themen der aktuellen Zeit, den Clash zwischen Gen-Z und Boomer ("Willkommen In Der Realität"), ums woke sein ("Es Zieht Im Paradies"), die Gefährdung der Demokratie ("Angst Frisst Demokratie"), um Sexismus ("Danke Dirk").

"Willkommen In Der Realität" lädt charmant in die Wirklichkeit ein, in den nie enden wollenden und immer wieder aufgeblähten Konflikt der Generationen: "Die gucken auf uns runter (Runter) / Runter aus den Schrebergärten". Da hilft nur die Realitätsflucht: "Es geht hoch / Es geht hoch" zu Eva, Adam, Freddie und die Queen. Doch auch im Paradies zieht's: "Alles ist gut, solange du woke bist". Die eindringliche Hook mit dem zurückgenommenen Pre-Chorus machen den Song zu einem der Fokustracks ("Es Zieht Im Paradies").

Immer wieder blitzt die Neue Neue Deutsche Welle auf, dazu verzerrte Gitarren, ein gedämpfter Bass, bisschen Blond, Babe und Annette Humpe. Dazwischen ein dröhnender Beat, "Remmidemmi" meets "Fickt-Euch-Allee" ("Kein Bock").

Auf die Spitze der Ironie treibt es die 25-Jährige mit "Otto Normal". Er ist sowas wie der Max Mustermann, der Durchschnittsmensch mit seinen Ecken und Kanten, der mit der Zeit gehen möchte: "Ich bin nicht wie jeder Otto, ich bin Otto Normal / Mein Heimwerkervideo ging neulich viral / Jetzt bin ich sowas wie ein Hеld, zumindest lokal / Doch für Mutti bleib ich Otto, Otto loyal". Nicht immer ist das ganz unproblematisch, was nur eine anders sieht: "Hallo ich bin Jutta, Jutta Normal / Mein Otto der hat Alles: Humor und Kapital / Tolle Haare, tolle Rente, und nicht linksradikal / Doch ihm sind alle Frauen außer Mutti egal".

Noch mehr Laune macht nur "Offiziell Glücklich": "Ich schlaf seit Wochen nicht mehr durch / Weil meine Nachbarn zu laut bumsen". Der Song erzählt vom notorischen Faken des eigenen Befindens. Alles kann schiefgehen oder abfucken: "Doch wenn du mich fragst, bin ich offiziell glücklich".

Ungewohnt ruhig und nachdenklich gerät "Angst Frisst Demokratie", Anfang des Jahres eine der Hymnen der Demokratie-Demos. Die Botschaft nach rechts: "Wir halten mit Liebe dagegen". Letztlich wird "Alles Wieder Gut": kein ironisches Wortspiel, keine provozierende Aussage, nur ein begleitendes Klavier zur zurückgenommenen Stimme, vielleicht etwas zu brav.

Keine 30 Minuten später endet ein kurzweiliges Album und das liegt weder an Dirk, noch den vermeintlichen TikTok-Längen der Songs. Es macht unendlich Spaß, den Geschichten und Protagonisten zuzuhören, rotzig verpackt mit ausreichend Ironie und der nötigen Gesellschaftskritik. Es passiert viel, doch dieses "Extra" ist kein bisschen zu viel.

Trackliste

  1. 1. Extra
  2. 2. Willkommen In Der Realität
  3. 3. Es Zieht Im Paradies
  4. 4. Danke Dirk
  5. 5. Sie Liebt Dich Nicht
  6. 6. Otto Normal
  7. 7. Kein Bock
  8. 8. Offiziell Glücklich
  9. 9. Angst Frisst Demokratie
  10. 10. Alles Wieder Gut

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4 Kommentare

  • Vor einem Monat

    Marketingtechnisch perfekt zugeschnitten auf Siebtklässler, die "anders sind als die anderen", wird natürlich Paula Carolinas (was für ein Scheißname) Authentizität hervorgehoben. Nee lass mal.

  • Vor einem Monat

    wie kriege ich ein gf wie paula carolina? :( :sad: ♥

  • Vor einem Monat

    Vielleicht ist das wirklich gut gemeint, aber das Ergebnis ist einfach nur unglaublich konservativ umgesetzt.
    Das konnten die Vorbilder der NDW-Zeit sehr, sehr viel rotziger.
    Gitarren und Drums klingen nach Plastik. Mega brav.
    Schlimme Radiomusik, die frech sein möchte aber den Stock nicht aus dem Arsch bekommt. Kraftklub in weiblich?
    Dabei gibt es so viele gute Künstler aus der Neue Neue Deutsche Welle Ecke.
    Das Ergebnis hätte man sich bei Künstlernamen, die aus Vor- und Zweitnamen bestehen eigentlich schon vorab denken können. Unterm Strich klingt das wie auf dem Reißbrett enstanden. Irgendwie Lea im NDW-Gewand.

  • Vor einem Monat

    Die Zielgruppe ist so hart auf 10-14 Jahre eingegrenzt, dass ich gar nicht erst reinhöre.