laut.de-Kritik
Eines der besten Live-Alben der letzten Jahre.
Review von Tom KüppersBaseball: In den USA Nationalheiligtum, dem hierzulande im allgemeinen großes Unverständnis entgegen stößt. Gut, andersherum geht es den Amerikanern mit 'unserem' Fußball in der Regel ähnlich, den haben sie ja trotz aller Bemühungen bis heute nicht verstanden. Interessanterweise sind es aber in beiden Fällen die Emotionen des Publikums, die viel von der Faszination dieser Sportarten ausmachen. Im letzten Herbst, genauer gesagt noch vor dem Trump-Triumph, beherrscht vor allem ein Thema die US-Schlagzeilen: Gewinnen die Chicago Cubs nach 108 Jahren Pause tatsächlich wieder die Baseball-Meisterschaft?
Auch Pearl Jam - gerne als 'Thinking Man's Rockband' verunglimpft - haben ein echtes Faible für Profisport, die Athleten und die Geschichten dahinter. Besonders Sänger Eddie Vedder hat sich immer wieder als Hardcore-Cubs-Fan hervorgetan. Nur wenige Wochen vor den alles entscheidenden Playoffs gastiert die Band für zwei Shows im Wrigley Field, der Heimspielstätte des Teams. Was natürlich in Bild und Ton festgehalten werden muss. Allerdings kann man sich ohnehin nicht über einen Mangel an offiziellen Pearl-Jam-Konzertmitschnitten beklagen. Braucht es dann also mit dem - natürlich - nach einem Zitat von Cubs-Legende Ernie Banks getauften "Let's Play Two" ein weiteres Live-Album?
Angesichts des hier Gebotenen kann die Antwort nur 'Ja, natürlich!' lauten. Die Tracklist punktet mit einer ausgewogenen Mischung aus Greatest Hits und nicht minder interessanten Treffern aus der zweiten Reihe. Wie "Black Red Yellow" (inklusive Verstärkung von Basketball-Exzentriker Dennis Rodman) oder "Inside Job", bei dem der an ALS erkrankte ehemalige Football-Profi Steve Gleason ein Intro spricht. Songs also, die nicht unbedingt zum großen Alternative-Kanon gehören. Aber selbst etliche Male gespielte Hits wie "Alive", "Black" oder "Jeremy" bersten vor Spielfreude und feinen Details für Kenner. Das Solo von "Corduroy" gehört in die Kategorie 'traumhaft'.
Beim Victoria Williams-Cover "Crazy Mary" kommt gar zartes Classic-Rock-Flair auf, spätestens wenn sich Keyboarder Boom Gaspar und Gitarrist Mike McCready ein Lord-Blackmore-würdiges Tasten vs. Saiten-Duell liefern. Matt Cameron groovt alles an die Wand, und der immer wieder lautstark vom Publikum unterstützte Vedder singt sich in einen regelrechten Rausch. Ein ganzes, den kompletten Text von "Elderly Woman Behind The Counter In A Small Town" aus voller Inbrunst mitsingendes Stadion ist einfach beeindruckend.
Wenn Pearl Jam und ihr Publikum mit dem gemeinsam intonierten "Release" aber einem Fan in der ersten Reihe Trost spenden, bleibt selbst das härteste Rocker-Auge nicht trocken. So ergreifend kann Musik also sein. Ebenso faszinierend ist es zu hören, was aus "Lightning Bolt", dem Titelsong des letzten Albums geworden ist. In der knapp vier Jahre alten Urversion eher spröde, klingt diese Interpretation einfach nur umwerfend rockig.
Dass auch Vedders bereits 2008 zu Ehren der Cubs aufgenommene Single "All the Way" nicht fehlen darf, versteht sich von selbst. Mit dem von den Beatles gecoverten "I've Got A Feeling" beenden Pearl Jam am 22. August ihre beiden Shows beinahe prophetisch. Denn am Ende wird alles gut, die Cubs gewinnen tatsächlich den Titel und ein ganzes Land jubelt mit.
Eigentlich hinterlässt "Let's Play Two" nur einen einzigen kleinen Wermutstropfen: Die originale Dramaturgie beider Shows wird (zumindest auf der vorliegenden Audio-Version) zerfleddert, Songs die eigentlich als Zugabe gespielt wurden, tauchen hier plötzlich mittendrin auf. Aber man will ja nicht kleinlich sein. Denn vielleicht ist es ja gerade dieser kleine Kniff, der dieses Zeitdokument so mitreißend macht. Die einzigartige, hochemotionale Stimmung dieser beiden Abende und die wie entfesselt aufspielende Band machen aus "Let's Play Two" - nicht nur für Pearl-Jam-Fans - eines der besten Live-Alben der letzten Jahre.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Und, haben die Cubs diese Meisterschaft dann letztendlich gewonne?
https://www.youtube.com/watch?v=CSQJLUCrAgE
"Eines der besten Live-Alben der letzten Jahre."
Wie geht das mit Pearl Jam Songs?