laut.de-Kritik

Die unerträgliche Smoothigkeit des Seins.

Review von

Großes geschieht derzeit in Hip Hop-Europa. Aus Schweden kommen Looptroop mit einem neuen Meisterwerk um die Ecke. Eine Veröffentlichung aus Dänemark legt ungeniert die Kollegin flach, die gleich darauf mit Hochzeit droht und das UK-Album des Jahres "Awfully Deep" behauptet seit Wochen seinen Platz in der Stereoanlage. Wer darauf hofft, dass sich etwas aus Deutschland dieser Liste anschließt, liegt leider falsch. Der Kelch springt von Skandinavien übers Emsland direkt zu unseren holländischen Nachbarn, die in der Gestalt von Pete Philly & Perquisite den Hip Hop-Wanderpokal an sich reißen.

Im Grunde genommen haben die zwei Holländer jedoch noch mehr verdient, denn derart Smoothes hat der Kontinent noch nicht hervorgebracht. Wer die Erben der ruhmreichen Native Tongue-Bewegung, trotz Common, Kweli oder den Roots noch nicht gefunden hat, der kann sich jetzt getrost zurücklehnen und sich dieser Vorstellung der Leichtigkeit hingeben. Einen Platz im Native Tongue-Olymp neben A Tribe Called Quest oder De La Soul bleibt ihnen nur deswegen verwährt, weil sie textlich von der Spiritualität und Tiefe der Vorangenannten ein wenig entfernt sind. Musikalisch ist es in den letzten Jahren aber wenigen Künstlern gelungen, die Unbeschwertheit der frühen Neunziger so überzeugend in die Jetztzeit zu übertragen.

Tänzelnde Beats, spielerische Pianos, Samples und Bassläufe des Produzenten Perquisite geben Pete Philly die Möglichkeit, seine sympathischen Flows auszupacken. So erzählt er über den Genuss, mit hochgelegten Beinen der Faulheit zu frönen, über die Dankbarkeit für die liebe Mama, vom beklemmenden Gefühl der inneren Leere oder von der schlichten Freude über einen gerappten Reim. Perfekt abgestimmt läuft die Arbeit von Perquisites Instrumentals und Pete Phillys Stimme. Abwechselnd lässt der Eine dem Anderen den nötigen Raum für die freie Entfaltung, nur um im nächsten Song wieder in das Zentrum des Geschehens zurückzukehren.

Jeder Track erhebt einen Anspruch, der bei vielen Rap-Alben oft in Folge von Stylegeilheit oder verbohrter Coolness verloren geht. Pete Philly und Perquisite denken darüber nicht nach, flowen mal über orientalische Klänge ("Respect"), auf elektronische Konstrukte ("Cocksure") und tüten dabei nicht nur ein Album der Extraklasse ein, sondern erarbeiten sich auch den Respekt der minder krediblen Kollegen. Und wer sich einen feuchten Kehricht um Genre-Konventionen schert, der kann getrost mit dem Singen anfangen. Zumindest, wenn es so beruhigend und überzeugend klingt, wie bei Rapper Pete Philly.

Dass es sich hier um etwas Großes handelt, davon ist übrigens nicht nur der begeisterte Rezensent überzeugt. Ein weitaus bekannterer Fackelträger der Post-Native Tongue-Ära, namentlich Talib Kweli, gibt nicht nur zur Freude der Marketingabteilung des Labels ein aufrichtiges Lob zum besten, sondern bestreitet auch einen gewohnt hochwertigen Auftritt ("Mindstate").

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Relieved
  3. 3. Insomnia
  4. 4. Motivated
  5. 5. Eager
  6. 6. Lazy
  7. 7. Respect
  8. 8. Cocksure
  9. 9. Conflicted
  10. 10. Grateful
  11. 11. Mindstate
  12. 12. Mellow
  13. 13. Paranoid
  14. 14. Cheeky
  15. 15. Grateful II
  16. 16. Hope
  17. 17. Amazed

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