laut.de-Kritik
His Guitar Gently Weeps.
Review von Philipp Kause"The Thrill Is Gone"? Überhaupt nicht. Selbst aus so einem auf den Bühnen dieser Welt häufig anzutreffenden Titel holt Peter Frampton mit seiner Band auf "All Blues" neue Details heraus. Ungehörte, warme Keyboards-Harmonien laden ein, den Song noch einmal bewusst zu hören. An vielen Stellen des Gesangs schubst Frampton die Melodie den ein oder anderen Halbton, abweichend zum Original, auf- oder abwärts, und er baut alles so auf, dass die Soli kraftvoll wirken. Nach dreieinhalb Minuten das erste, und, nicht genug, nach fünf Minuten ein weiteres, um so wehmütigeres. Musik zum lauter Drehen. Der 'späte' Frampton folgt einem gewissen George Harrison, einst sein Bühnenfreund, und lässt die Gitarre gerne aufjaulen.
1976 knackte "Frampton Comes Alive" den Rekord als bis dato meist verkaufte Live-Scheibe der Welt. Die Präzision dieser Platte hat der einstige Lockenkopf sich bewahrt, und lässt "All Blues" wie eine gelungene Session-Platte, ein als-ob-live wirken. Dass der Blues weder Framptons Kerngebiet noch besonders leicht zu knacken ist, diesen Eindruck wird man beim Hören nicht los. Doch die Distanz zu dieser Musik ermöglichte wohl das Konzept des Samplers: Frampton führt durch zehn verschiedene Spielarten und Subgenres des Blues, entblättert die unter dem Sammelbegriff "All Blues" liegenden diversen Haltungen und Stimmungen.
"All Blues (feat. Larry Carlton)", zugleich ein Songtitel, überrascht eher als langer, instrumentaler Jazztrack, bluesinspiriert, relativ glatt. Jazz für Teilzeit-Jazzliebhaber. Das Prinzip mit dem Instrumentalen folgt auch unerwartet in "Georgia On My Mind", einem eigentlich gesungenen Titel, den Ray Charles bekannt machte. Hier aber erkennt man den Klassiker mangels Text kaum wieder, ein gelungener Gag.
Spielerisch legt Frampton sowieso eine Meisterleistung hin. Wie die E-Gitarre ihn traktiert, darauf kommt es an, im Zusammenspiel mit dem Piano und einem insgesamt edlen Musikbett. Um sich so weit von den konformen Coverversionen des Titels zu entfernen, muss man ihn in Fleisch und Blut verinnerlicht haben. Anders als etwa Mark Knopfler wurde Peter Frampton nie altherrenhaft oder gemütlich und wird es auch jetzt nicht. Und er erschlug das Publikum nicht mit Output, tourte lieber extensiv anstatt neue Songs aufzunehmen. Auf Tour kam er auf die Idee, die Blues-Wurzeln genauer zu verfolgen.
Nicht alles überzeugt: "I Just Want To Make Love To You (feat. Kim Wilson)" klingt recht trocken und konventionell und nutzt die Track 1-Position auf dem Album nicht wirklich aus. Die Mundharmonika des Gastes tönt vorhersehbar. Aber klar, auch diese Seite von modernem Blues gehört zu den Facetten der Stilrichtung. Das swingendere "She Caught The Katy" löst den Opener ab und macht ihn nach ein paar Takten vergessen. Hier brazzelt Frampton in seinem Element, singt Blues mit Londoner Akzent, betont die Wörter, als spiele er vor Publikum. Er erzählt seine Geschichte und dreht die Elektrische auf, jagt sie durch chromatische Tonleiterspiralen. Der Rhythmus hüpft Honkytonky-artig.
Beim Hören von "Can't Judge A Book By The Cover" keimt erneut der Wunsch, laut aufzudrehen. Du kannst ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen, und man tut gut daran, diese Platte nicht nach ihrem Cover zu bewerten. Eigentlich meint dieser Song von Bo Diddley, dass das Äußere und in diesem Kontext weder die Hautfarbe noch die Signalreize einer schönen Frau oder eines schönen Mannes etwas über den zu erwartenden Inhalt aussagen. "Ich schau wie ein Bauer aus, bin aber ein Liebhaber!" - weshalb hat es diese Zeile nicht zu "Bauer sucht Frau" geschafft?
Die vielen schönen Allegorien von Bäumen und Fischen in diesem Text trägt Frampton im Brustton tiefer Überzeugung vor und restauriert den alten Blues-Schinken so noch einmal überraschend gut. Auf typisch schwitzigen Memphis-Riffs holt der Engländer das Maximum an textlicher Raffinesse heraus, betont im Gesang allerliebst. Am Ende gewinnt er der E-Gitarre einen stürmischen Quiek-Laut ab, bevor ein völlig überflüssiges Fade-Out genau dann einsetzt, wenn's am wildesten und interessantesten wird.
Klare Konturen wären hier das A und O, da passen lange Abblenden nicht. Das chilifeurig Funken schlagende "Me And My Guitar" tröstet darüber hinweg. Das klavierbezogene "Same Old Blues" schwingt federleicht, 'easy like Sunday morning. "The Thrill Is Gone (feat. Sonny Landreth)" nutzt die Keyboards als sanfte Kraft. Der Blues liegt in den heiseren Vocals. Frampton hört sich hier an, als konkurriere er mit Cocker in Sachen Vibrato und Zittrigkeit.
"I'm A King Bee" begibt sich auf die Spuren des anno 1970 verstorbenen Slim Harpo und würdigt dessen erste Single. So viel Nostalgie müssen wir Frampton zugestehen, denn es interessiert auch, wem dieser große Musiker selbst gerne zugehört hat. Wenn man die Stimmung von Satriani-Instrumentals mag - hier findet man die Fährte zu deren Stammbaum. Framptons Fassung ahmt die Reize von monotonem Wüstenrock-Blues nach, wie ihn etwa Tamikrest und Tinariwen verbreiten. Die Melodie wird zum überschätzten Schnörkel, auf Bass, Verzerrtöne und Trance kommt es an. Doch auch dieser Track verendet in der Abblende.
Blues spielte immer schon mit der Angst vor Teufel und Hölle und erbittet in diesem Sinne in "Going Down Slow (feat. Steve Morse)" auch "please forgive me all my sins". So zieht sich Peter Frampton von der Musik zurück. Er liefert noch einmal allerhöchste Präzision, die er sich mit voran schreitender Muskelerkrankung künftig nicht mehr zutraut. Die schneidende Schärfe in den für Bluesrock sehr sauberen Tönen überzeugt. "All Blues" ist kein Album, das der Mode folgt, indem es röhrt und wummert - sondern das Feine, das Heraushören der Zutaten liegt Frampton am Herzen und spricht aus der Platte heraus zum Hörer.
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