laut.de-Kritik
Ganz sicher keine Eintagsfliege.
Review von Thomas HaasRückblende: Im Sommer 2015 veröffentlicht Post Malone, ein bis dato nahezu unbekannter texanischer Jungspund, den vielleicht größten Raphit des Jahres. Im Video zum Song "White Iverson", das nach einem guten Jahr weit über 200 Millionen Klicks zählt, sieht man ihn, zugegeben etwas unbeholfen, in komplett weißem Outfit durch die Wüste tänzeln und dabei von der großen NBA-Karriere träumen.
Dass diese White-Rich-Kid-Fantasien daraufhin dermaßen polarisierten, ahnt zu diesem Zeitpunkt niemand. Am wenigsten wohl Austin Post selbst. Dabei handelt die anschließende Debatte weniger von der qualitativen Substanz von Malones Musik als vielmehr von seiner Persona an sich. Dass er im Vorfeld zu "Stoney" mit Justin Bieber durch Nordamerika tourte und sich Vergleiche als "Donald Trump des Hip Hop" gefallen lassen musste: für Post Malone mittlerweile Normalität.
Anderthalb Jahre nach "White Iverson", etlichen im Netz herumschwirrenden Beinahe-Singles und dem etwas seichten Prealbum-Mixtape "August 26th" steht nun "Stoney" in den Läden. Um der Befürchtung - respektive dem Vorwurf - Vieler gleich entgegenzuwirken: Post Malone ist sicher vieles, aber ganz sicher kein One-Hit-Wonder. Dafür ist "Stoney" trotz der gewaltigen Fallhöhe zu kohärent, zu hitlastig, zu schlüssig. Kurzum: zu gut.
Anstatt auf den anhaltenden Internethate mit Härte und Überheblichkeit zu reagieren, gerät die Platte viel eher angreifbar und beinahe geerdet. Allem voran durchziehen sie weiche Gitarren und verträumte, raumfüllende Synthies, die den plastischen Grund für Malones nicht immer tiefgehende, aber immer authentische Vorträge liefern.
"Stoney" geht sogar einen Schritt weiter als noch sein bisheriger Output: Es öffnet sich ungezwungen weiter Richtung Pop, Country und Folk. Diese Entwicklung konnte man bereits an der Vorabsingle "Go Flex" beobachten: Eine schlichte Akkustik-Gitarre reicht dem Texaner mitunter aus, um daraus einen Hit zu basteln.
Tatsächlich gibt es nur wenige Künstler mit einem so ausgeprägten Gespür für catchige Hooks, seien sie auch noch so kitschig. Die bereits hinlänglich bekannten und gefeierten Songs "White Iverson" und auch das unheimlich dynamische "Too Young" markieren dabei keineswegs die unerreichten Höhepunkte auf "Stoney".
Zusammen mit Neu-BFF Justin Bieber slowjamt Malone auf "Deja Vu" so gekonnt, dass der Song wohl unverändert auch auf einer Bieber-Platte hätte stattfinden können. Zwar kratzen die beiden textlich - wie leider weite Teile des Albums - wenn überhaupt nur an der Oberfläche. Vielleicht kommt es darauf aber auch gar nicht so sehr an.
Wenn Post Malone davon croont, wie er gerade runterkommt vom "high of his life", oder wie so oft ein wenig pathosgeladen feststellt, dass alles nur eine "Big Lie" sei, macht der 21-Jährige mit virtuosem Stimmeinsatz und jeder Menge Gefühl die lyrischen Missstände wett.
"Congratulations", auf dem Metro Boomin mitproduzierte und Migos-Quavo wie ausnahmslos immer abliefert, komprimiert die Bandbreite Malones auf guten drei Minuten: Lebhafte Rapeinlagen fließen über in eine gedankenverlorene Bridge, die schließlich in einer etwas dramatischen Hook kulminiert:
"I dreamed it all ever since I was young / They said I wouldn't be nothing / Now they always say congratulations / Worked so hard, forgot how to vacation." Das mag sich zwar furchtbar abgedroschen lesen, in Kombination mit dem unheimlich stimmigen Albumsound, für den allen voran FKi und Rex Kudo verantwortlich zeichnen, wird das aber schnell nebensächlich.
Außerdem kommt der Platte zugute, dass (zumindest) die Normalversion mit einer gerade noch angenehmen Länge von 14 Songs ohne erwähnenswerte Ausfälle auskommt. Zwischen gitarrenlastigen Folkausflügen und eher zeitgenössischen, atmosphärischen Songs macht es sich Malone zwar ein wenig im gemachten Nest gemütlich. Ihm fehlende Eigenständigkeit (auf dem Debütalbum) vorzuwerfen, ginge dann aber wohl zu weit.
So oder so hat er mit "Stoney" seinen wackeligen Status als womögliche Eintagsfliege ein für alle Mal widerlegt. Geahnt haben wir das ja schon vor einiger Zeit.
5 Kommentare
schraubs auf 10 songs und es ist ein top 10 album dieses jahr. leider etwas zu viele filler. das intro, leave, congratulations (quavo ♥) und natürlich go flex und too young sind bretter.
schöne songs zum stoned chillen. leider, mal wieder, zu lang.
Hatte ein paar richtige Hits. Hätte gerne ein runderes Album von ihm gehört. Alleine schon dieser ganze culture vulture hate zu Whiter Iverson Zeiten war hart lächerlich.
Schwer das zu bewerten, würde wahrscheinlich zu 3,5 greifen.
Sollte definitiv weniger mit Bieber chillen und dafür mehr mit den Migos.
Ein ziemlich gutes Album, das noch viel stärker wäre, wenn es auf die besten 10 Tracks runtergetrimmt wäre. Die stärksten Nummern:
No Option
White Iverson
I Fall Apart
Go Flex
Congratulations
Runde im Nachhinein auf 4/5 auf, auch wenn gefühlt tatsächlich ein paar Filler zu viel drauf sind. Aber "White Iverson", "Congratulations" und "I Fall Apart"(!) zerficken schon so einiges.
Warte immernoch auf den ganz großen Wurf auf LP-Länge - bis dahin gibt's eben "White Iverson" in Endlosschleife.