Rage - " From The Cradle To The Stage - 20th Anniversary"

Tassen hoch und Hut ab. Zwanzig Jahre Rage liegen hinter uns, und die Zukunft sieht besser aus denn je. Mit Victor Smolski und Mike Terrana hat Peavy Wagner das beste Line-Up seit der Gründung von Rage beisammen, und live ist das Trio eine Macht. Was liegt also näher, als endlich mal mit einer Live-Scheibe und dazu passender DVD diesen Umstand zu feiern?

Mit "From The Cradle To The Stage – 20th Anniversary" feiert sich die Band sozusagen selber, sie hat für das Jubiläumskonzert in die Bochumer Zeche geladen, wo sie die jubelnde Menge mit über drei Stunden Rage-Klassikern versorgt. Der auch auf Doppel-CD erschienene Auftritt bietet einen recht guten Querschnitt der an Klassikern nicht armen Geschichte von Rage, ist dabei aber nur der eine Teil dieser Veröffentlichung.

Nach vier Stücken, die alle in der jetzigen Besetzung entstanden sind, machen Victor und Mike klar, dass auch die älteren Songs nicht nur mit absoluter Leichtigkeit spielen, sondern sogar noch mehr rausholen können, als ihre Vorgänger. An einer Stelle wie dieser sind auch die beiden Soloeskapaden der beiden Ausnahmemusiker angebracht, die ich an anderer Stelle des öfteren für überflüssig halte.

Mikes "Anarchy" ist schon der Hammer und dürfte sogar nur auf Tonspur beeindruckend sein. Wenn man aber dazu noch beobachten kann, wie der Kerl einem Küchensamurai gleich mit den Sticks durch die Gegend wirbelt, während er einen Beat nach dem anderen runterzockt, ist das schon beeindruckend. Dass der Kerl auf einem Drumhocker mit Lehne sitzt, hat definitiv nichts mit Faulheit oder Bequemlichkeit zu tun.

Dem steht Victors "Rocket Science" natürlich in nichts nach. Was den Mann von vielen anderen Saitenhexern unterscheidet, ist die Tatsache, dass er nicht nur auf wahnwitzige Geschwindigkeit und abartige Technik, sondern vor allem auch auf Melodie und Feeling setzt – zumindest mal kurz am Anfang. Nicht nur für Gitarren Anfänger dürfte dieses Schauspiel ein wenig demotivierend sein.

Meister Wagner darf zwar nicht durch ein eigenes Solo glänzen, jedoch zeigt Peavy auch während der regulären Stücke oft genug, dass er sich nicht nur auf simple Rhythmik und Basisakkorde reduziert, sondern auch einiges auf dem Kasten hat. Die Ausstrahlung der gesamten Band ist wieder durchgehend sympathisch, auch wenn die englischen Ansagen vor deutschem Publikum etwas seltsam klingen. Ist aber wahrscheinlich eine Business-Angelegenheit. An dem tatsächlichen Livegehalt dieser Veröffentlichung habe ich jedoch so meine Zweifel.

Nicht nur, was die Songauswahl betrifft, gehen Peavy, Victor und Mike auf dem Ton- und Bildträger mächtig in die Vollen. Auch bei den Specials hat das Trio nicht gespart. Vor allem die Menü-Auswahl ist schon eine sehr cool gestaltete Sache. Wenn man die Zeit hat, sollte man unbedingt mal sämtliche Menü-Punkte absurfen.

Die beinahe 50-minütige Bandhistory ist durchgehend sehenswert, weil alle drei Musiker nicht nur sehr unterhaltsam erzählen können, sondern auch die bildliche Untermalung sehr abwechslungsreich geraten ist. So erfährt man einige Details, die wohl nur wenige Fans bisher wissen. Ich denke mal nicht, dass jeder weiß, dass der Song "Straight To Hell" aus dem Streifen "Der Schuh des Manitou" von Victor stammt. Oder dass Jesus jetzt einen Job als Gitarrentechniker von Peavy und Smolski hat.

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich Rage ihr Jubiläum richtig was haben kosten lassen. In den beiden DVDs steckt jede Menge Arbeit, was geboten wird, ist hochklassig. Wenn ich nur meine Bedenken die Livehaftigkeit des Sounds betreffend vergessen könnte ...