laut.de-Kritik
Himmel ohne Wolken, Songs ohne Kanten.
Review von Fabian BroicherReal Estate tragen die Sonne im Herzen. Die Band aus New Jersey war musikalisch schon immer nahe dran an der sommerlich-süßen Leichtigkeit. Aber auf ihrem sechsten Album "Daniel" ziehen erst gar keine Wolken mehr auf, kräftige Klanggewitter sucht man hier vergebens. Das war zumindest teilweise beabsichtigt. Denn auf dem Vorgänger "The Main Thing" klang das Quintett noch düsterer. Das groß angelegte Werk erschien zum zehnten Jubiläum der Band und sollte nach einigen turbulenten Umbesetzungen für mehr Fokus sorgen. Dann machte die Pandemie 2020 diese Pläne zunichte.
Für "Daniel" zogen Real Estate nach Nashville, wo man gemeinsam lebte und das neue Material erarbeitete. Erklärtes Ziel: Die Songs sollten möglichst ohne Overdubs auskommen, ohne viele Effekte, ohne Studio-Tricks. Unterstützung holte man sich von Daniel Tashian, der zuletzt Country-Stars wie Kacey Musgraves produzierte und mit dem verträumten Jangle-Pop von Real Estate eigentlich gar nichts am Hut hat. Die Band war trotzdem so begeistert von seiner Arbeit, dass sie das Album nach ihm benannten. Zumindest vielleicht. Diesbezüglich halten sie sich bedeckt.
Tashians Produktion steht jedenfalls ganz im Geist der Reduktion. "Daniel" klingt entschlackt, geradlinig: Meist bestimmt ein Netz aus zwei Gitarren das Arrangement, die eine akustisch, die andere elektrisch. Die Gesangsmelodien von Martin Courtney sind zwar leichtfüßig, aber so kantenlos, dass sie kaum im Ohr bleiben. Textlich geht es meist sommerlich zu: Der Refrain von "Haunted World" erzählt von Sonne, die durch Bäume scheint. "Things don't seem right / Bathed in sunlight" heißt es in "Market Street". Sonst zündet der Song leider gar nicht: Das Schlagzeug treibt stupide, der Gesang klingt emotionslos, und das psychedelische Gitarrensolo in der zweiten Hälfte wirkt deplatziert.
Anderes gelingt besser: "Airdrop" lässt sich fallen in ein Bett aus Mellotron-Streichern. "You Are Here" dringt mit stampfendem Piano und hypnotischem Outro sogar zaghaft in experimentelle Gefilde vor. Und in "Freeze Brain" scheint dann wieder die Sonne: "Now and then / I can pretend / The sun is shining / Let's let some light in", singt Frontmann Martin Courtney über einem motorischen Beat, gedämpftem Bass und Keyboards mit Schluckauf. Trotzdem: Vielleicht hätte ein bisschen weniger Sonnenschein gut getan.
1 Kommentar
Allein schon wegen des Pete & Pete Videos hat das Album 10/5 verdient.