laut.de-Kritik
Wenig frischer Wind, aber beste Haltungsnoten.
Review von Dani FrommZu Roland Kaiser fällt mir immer und zuallererst eins ein: Haltung. Er positionierte sich in einer Weise deutlich gegen die in Dresden und anderswo aufspazierenden Sorgenbürger, wie es nur wenige seiner Kollegen konnten oder wollten. Das Risiko, mit einem solchen Schritt zumindest Teile seiner doch recht konservativen Anhängerschaft zu vergrätzen, nahm er billigend in Kauf.
Man wünschte, wenigstens einen Bruchteil dieses Mutes, dieser Pfeif-auf-jedermanns-Erwartungen-Attitüde, auf einem seiner Alben wiederzufinden. Ich will weiter glauben, dass das eines Tages passieren wird. Auch, wenn "Auf Den Kopf Gestellt" der Hoffnung auf frischeren Wind im Kaiserreich erneut einen Dämpfer verpasst. Dabei wissen wir doch längst, dass der Mann cooler als Casper ist.
"Ich will mit dir, nur mit dir, alles Neue wagen." Mit uns will er das offensichtlich nicht. Der Titeltrack rockt zwar entschieden und mit ordentlich Wumms los. Die billigen Keyboard-Klänge machen aber jeder eventuell aufkeimenden Stimmung genau so entschieden den Garaus.
Zopfig arrangierter, mehr oder weniger angerockter Pop-Schlager wechselt mit Balladenmaterial unterschiedlicher Kitsch-Abstufungen. Entweder jodelt die E-Gitarre, als grüße ein Aushilfs-Slash von der nächsten Klippe, oder der Himmel über dem Klavier hängt - natürlich - voller Geigen.
Die einzigen musikalischen Überraschungen, die "Auf Den Kopf Gestellt" bereit hält, fallen eher unangenehm aus: In "Ein Leben Lang", "Ich Wär' So Gern Der Andere Mann" oder "Am Morgen Nach Dem Großen Tag" springt einen ohne jede Vorwarnung das Saxofon an und zerrt einen mit schmalzfettigen Fingern zu sich in die 80er-Hölle. Hilfe, Mama. Hol' mich hier weg.
Bring' mich aber bitte nicht zur "Seiltänzerin". Ich kann gar nicht entscheiden, ob die Synthies, der Bummsbeat oder die abgenutzten "Zu oft geflogen"-Bilder ranziger riechen. Die Stimmen von Roland Kaiser und seiner kieksenden Duettpartnerin Julia Kröhnert passen überhaupt nicht zusammen. Ohnehin singen die beiden über weite Strecken nicht miteinander, sondern nur parallel nebeneinander her.
Julia Kröhnert greift auch in "Hör' Auf Dein Herz" zum zweiten Mikrofon. Auch hier harmonieren die beiden Gesangsstimmen bestenfalls mittelprächtig. Kaisers in Barry White-Manier gebrummte Einleitungsworte gingen noch klar, fielen sie weniger redundant aus: "Bitte! Hör' auf dein Herz. Und wenn du nicht mehr weiter weißt ..." Ja, was dann? "Dann hör' auf dein Herz." Ach, so. Mein Herz, allzu genau muss ich da gar nicht hinhören, fleht derweil: "Versucht bitte nie wieder zu rappen. Auch nicht so etwas ähnliches. Nein. Nie wieder. Bitte." Wenn ichs recht bedenke, ist musikalischer Wagemut im Fall Roland Kaiser vielleicht doch keine so gute Idee.
An anderen Stellen geht dafür vieles auf: "Brief An Mich Selbst" etwa hebt zwar ebenfalls wie eine dieser klassischen Pianoballaden an, entpuppt sich aber dank des wunderbaren Textes von Udo Brinkmann (Ich schwöre, so steht es im Booklet. Gruß in die Schwarzwaldklinik!) als originelles Liebeslied, das sein Interpret angemessen emotional zum Leben erweckt.
Roland Kaiser singt zwar oft von Beziehungen, insbesondere von komplizierten Dreiecksgeschichten, aber wahrlich nicht immer. Viele seiner Lieder drehen sich auch um den mit allen Sinnen, mit letzter Konsequenz gelebten Moment. Leicht möglich, dass jemand, der die Endlichkeit der Existenz am eigenen Leib erfahren, schon einmal einen Blick von des Todes Schippe herab geworfen hat, ehe er doch noch einmal herunter sprang, eindringlicher als andere dazu aufrufen kann, die Liebe, das Leben und den Augenblick zu feiern. Roland Kaiser beherrscht diese Disziplin jedenfalls aus dem Handgelenk.
"Ab heute mach' ich, was ich will. Es wird auch langsam höchste Zeit ... Für Geduld bin ich zu alt." Nein, er hat keinen Langmut mehr übrig, schon gar nicht für Engstirnigkeiten und Vorurteile. Deswegen steckt zwischen all den Radioschlagern, gemein als ebensolcher getarnt, auch der leise politische Song, den dieses Land in diesen Zeiten vielleicht nötiger braucht als manches andere.
Wie Udo Jürgens' "Griechischer Wein" einst hellenische, verwurstet "Und Wenn Dein Name Leila Wär'" orientalische Melodien und lädt im Text zu einem unverstellten, unverschleierten Blick auf eine andere, eine fremde Kultur ein. Der zeigt, wenig verblüffend für jeden, der es einmal versucht hat: Eigentlich verbindet uns doch viel mehr als uns trennt. Es könnte so einfach sein. Da war sie wieder: Haltung!
1 Kommentar mit einer Antwort
Gruß zurück!
... und danke!