laut.de-Kritik
Das singende Auberginen-Emoji mit dem Zeug zum Bundespräsidenten.
Review von Dominik LippeRoland Kaiser genießt einen ausgezeichneten Ruf. Er gilt als pünktlich, professionell und frei von Allüren wie ein deutscher Bruce Springsteen. Nebenbei hat er sich zum Liebling der Politik entwickelt. Eine "lebende Legende", schwärmte Jens Spahn nach einem Konzert auf der Waldbühne. "Mich beeindruckt nicht nur der Sänger, sondern vor allem der Mensch." Und auch die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas lobte den 72-Jährigen überschwänglich auf der offiziellen Seite des Bundestags. Dabeigeht es in der "Marathon"-Karriere des Lobgepriesenen vor allem um gediegenen Begattungsschlager.
"Länger Als Gedacht" dringt früh zu Kaisers Kern vor. "Als es anfing, dachte ich: 'Das passt ja vorn und hinten nicht. Und wenn doch, dann nur für eine Nacht.'" In entspannter Saloon-Atmosphäre erzählt er, wie sich aus "Unverbindlichkeit" eine "Freundschaft plus" und schließlich eine Beziehung entwickelte. "Schamlos begehrlich" geht es "Auf Den Dächern Der Welt" weiter. "Wir haben uns beide perfekt präsentiert - ich heut' im Smoking, du tief dekolletiert", giert das singende Auberginen-Emoji zum Funk-Synthie-Gemisch, bevor es zur Ehrenrunde antritt: "Deine Blicke verraten, du willst es nochmal."
Ja, der Kaiser lässt das Mausen nicht. In "Mein Geheimnis" besingt er seine "verbotenen Träume", die ihm noch am Morgen die Schamröte ins Gesicht treiben. "Wie gut, dass niemand es ahnt, was wir so machen ganz heimlich", stellt er erleichtert fest und die Frage drängt sich auf, um welche Aktivitäten es hier konkret gehen könnte. "Was heut' passiert, bleibt unter uns. Manchmal kommt Lust vor Vernunft", betont er in "Was Heut Passiert" erneut die Heimlichkeit, als balanciere er entlang der Legalität. Im Kontrast dazu zeigt er sich musikalisch offen und entfacht ein geradezu südamerikanisches Feuer.
Da sich selbst eine Maschine wie der Kaiser den physiologischen Gesetzen unterworfen sieht, gerät auch er in Refraktärphasen, die er für die Introspektion nutzt. Mehr als ein Hauch Vergänglichkeit durchweht "Was Aus Euch Wird". "So manches Mal merk' ich, die Zeit bleibt nicht stehen", bestaunt er seine eher profane Erkenntnis, die er mit viel Pathos und Tränendrüse zur Lebensklugheit überhöht. Versonnen und betulich geht es in "Das Leben Schont Keinen" zu. "Es geht nie geradeaus, geht mal runter und rauf", glorifiziert er weitere Banalitäten, während sich die Musik der Erhabenheit hingibt.
Unter den reflektierten Stücken erweist sich nur "Achtung Und Respekt" als vorzeigbar. Der eingefleischte Sozialdemokrat beschwört darin das "Miteinander". "Hass und Hetze ihre Gegner, doch sie haben keine Chance", erklärt Kaiser. Damit zeigt er auch, wie Werte und Themen im politischen Spektrum wandern. Denn in Zeiten zunehmender Grenzverletzungen von rechts und der Mitte wechseln diese konservative Ideale hin zu den traditionell eher aufmüpfigen Linken. Olaf Scholz spräche wohl von der "sittlichen Reife". In jedem Fall eröffnet sich hier die Chance zur späten Hymne des "Respekt"-Kanzlers.
"Am Ende Wird Alles Gut" schwelgt dann erneut in Floskeln, die sich tiefsinnig geben. Da passt es wiederum, dass der Schlagersänger mit "Liebe Ist Alles" ausgerechnet Rosenstolz covert. Das Ergebnis fällt nicht ganz so schrecklich wie die Adoro-Version des "Herz"-Hits aus, aber unnötig bleibt sie trotzdem.
Mit seinem verbindlichen, offiziell wirkenden Habitus bauscht Roland Kaiser noch die trivialsten Erkenntnisse zur Altersweisheit auf. So gesehen ließe sich seine bundespräsidiale Aura tatsächlich in einem entsprechenden Amt einsetzen. In zwei Jahren steht Steinmeiers Nachfolge an.
1 Kommentar mit 2 Antworten
haha das Cover
Das ist ein WAM = Weißer Anzug Marathon
Ich rätsel noch ob das Stadion sehr groß oder Roland Kaiser sehr klein ist