laut.de-Kritik

Songs vom schwulen Messias und einem Monster im Weißen Haus.

Review von

Nachdem sich Rufus Wainwright auf dem Cover zu "Want One" als melancholischer Ritter noch recht maskulin präsentierte, bietet der Singer/Songwriter auf dem aktuellen Album "Want Two" als eine Art zart besaitetes Dornröschen samt Spindel einen eher weiblichen Anblick. Der zweite Teil der "Want-Sessions" sei auch um einiges femininer geraten, meint der Künstler dazu selbst.

Zumindest ist das neue Werk um einiges vielfältiger und verfügt über eine größere Klangfülle. Die musikalische Bandbreite baute er im Vergleich zum Vorgänger aus: Im Opener besingt Wainwright das Lamm Gottes in lateinischer Sprache mit einem Lied, das an einen Messgesang aus dem angestaubten katholischen Musikfundus erinnert. Später folgen von klassischen Stücken beeinflusste Lieder. Den Endpunkt des Albums markiert schließlich ein französischer Song. Dabei lässt Wainright seine folkigen Singer/Songwriter-Wurzeln keineswegs außer Acht, schafft den stilistischen Spagat spielend. Als Hörer hat man das Gefühl an etwas besonderem teilzuhaben, vor allem wenn das Album mit Kopfhörern und viel Aufmerksamkeit konsumiert wird.

Textlich wagt Wainwright einiges und behandelt beispielsweise sehr offen das Thema "Homosexualität". Im prüden Amerika ist das durchaus mutig. Er schreckt dabei auch nicht vor provokanten Textzeilen oder gar ganzen Liedern zurück. Bestes Beispiel dafür ist "Gay Messiah". Bereits der Titel dürfte Hardcore-Christen auf die Palme bringen, vielen anderen wird er mit dem Text aber spielend ein Schmunzeln abgewinnen: "He will then be reborn/ From 1970's porn", singt Wainwright zu Beginn genüsslich, um im Refrain erst richtig loszulegen: "Better pray for your sins/ 'Cuz the gay messiah is coming." Explizitere Stellen über eine Taufe mit Körperflüssigkeiten können im Booklet nachgelesen werden.

Für "Hometown Waltz", einem Lied über Wainwrights Heimat Montreal, das nach Jahrmarkt mit Gauklern und Freak-Show klingt, konnte er seine Mutter und seine Tante als Background-Sängerinnen gewinnen. Schwester Martha kommt an der Violine zum Einsatz. Früher firmierte diese Besetzung als McGarrigle Family.

Das bitter-süße "Waiting For A Dream" ist sicherlich eines der musikalisch ergreifendsten Stücke. Auch hier hält er mit Kritik an Gesellschaft und Politik nicht hinter dem Berg. Inmitten der wunderschönen Melodielinien lassen sarkastische Zeilen aufhorchen: "Yesterday I heard they cloned a baby/ Now can I finally sleep with me?" Mit diesem gesellschaftskritischen Statement dürfte George W. Bush noch übereinstimmen, doch auch er bekommt wenig später sein Fett weg: "There's an ogre in the oval office". Ja, musikalische Fausthiebe können so schön klingen.

"Want Two" schenkt dem Hörer eine Insel aus vielen großartigen, abwechslungsreichen Kompositionen, Sarkasmus und ironischem Humor. In der Mitte des Booklets ist "Dornröschen" Wainwright bereits in den berühmten langen Schlaf gefallen. Wer dennoch derart gute Musik verzapft, braucht eigentlich auch gar nicht mehr wachgeküsst zu werden.

Trackliste

  1. 1. Agnus Dei
  2. 2. The One You Love
  3. 3. Peach Trees
  4. 4. Little Sister
  5. 5. The Art Teacher
  6. 6. Hometown Waltz
  7. 7. This Love Affair
  8. 8. Gay Messiah
  9. 9. Memphis Skyline
  10. 10. Waiting For A Dream
  11. 11. Crumb By Crumb
  12. 12. Old Whore's Diet
  13. 13. Coeur De Parisienne - Reprise d'Arletty

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