laut.de-Kritik
Intime wie leichtfüßige Hommage an die eigene Kindheit.
Review von Toni HennigAuthentisch, bodenständig, Easy Listening ohne Kitsch: So könnte man die Musik Silje Nergaards zusammenfassen. Dass sich da im Laufe der über 40-jährigen Karriere eine gewisse Gleichförmigkeit eingestellt hat, verwundert kaum. Dennoch wagte die Norwegerin mit ihrem selbstbetitelten Album vor fünf Jahren einen souligen Versuch, aus diesem viel zu eng gewordenen Jazz meets Pop-Korsett auszubrechen.
Nun meldet sie sich mit "Tomorrow We'll Figure Out The Rest" mit melodischen Songs als Hommage an ihre Eltern und an ihre Kindheit, inspiriert von klassischen Jazz-Standards, zurück. Dabei setzt sie auf zum Teil langjährige Mitmusiker wie Helge Lien (Piano), Jarle Vespestad (Schlagzeug), Finn Guttormsen (Bass), George 'Jojje' Wadenius (Gitarre) und Håkon Kornstad (Saxophon). Streicherarrangements steuert zusätzlich noch das Stavanger Symphony Orchestra bei, dirigiert von Vince Mendoza.
Das Album halten kurze Interludien bestehend aus alten Kassettenaufnahmen zusammen, auf denen man Nergaard mit ihrem Vater sprechen oder mit ihrer Familie singen hört, als sie noch ein kleines Kind war. "You Are The Very Moon" dringt zu Beginn mit leichtfüßigen Kontrabass- und Klavierklängen, beschwingtem Gesang und märchenhaften Streichern in disneyhafte Gefilde vor. Da hinterlässt "Lover Man" mit seiner reduzierten Rhythmik, die viel Raum für die süßlichen Vocals der Skandinavierin und ruhige Saxophoneinschübe lässt, einen etwas gelungeneren Eindruck.
In "A Perfect Night To Fall In Love" schrauben sich Stimme und Streicher cineastisch in die Höhe, während die Piano- und Kontrabass-Begleitung durchgängig die Spannung hält. Wäre definitiv was für den nächsten James Bond-Soundtrack. Das auf Norwegisch gehaltene "Vekket I Tide" drückt anschließend etwas zu sehr auf die Tränendrüse.
Da kommt "Before You Happened To Me" als leichtfüßige R'n'B-Nummer mit bluesiger Rhythmik und weiblicher gesanglicher Begleitung danach ganz recht. "Dance Me Love" klingt zunächst wie von den getragenen Streicherstücken Johann Sebastian Bachs inspiriert. In der zweiten Hälfte entfaltet das Zusammenspiel aus Orchester - und reduzierten Jazztönen sowie sich wiederholenden Textzeilen eine einnehmende Wirkung.
Der beste Track des gesamten Albums ist jedoch "My Man My Man", ein sommerliches Bossa Nova-Duett, das zusammen mit Beady Belle entstand und durchgängig für gute Laune sorgt. "Brooklyn Rain" hat etwas von der intimen, nächtlichen Stimmung alter John Coltrane-Balladen, nur mit gospelartigen Gesang unterlegt. In "Here There And Everywhere" besingt Nergaard zu sparsamen Rhythmen sehnsüchtig die ewige Liebe. Das Titelstück sorgt zum Schluss für einen nachdenklichen Ausklang.
Wer auf handwerklich solide gemachte Musik mit schönen Melodien und schönem Gesang steht, kann mit dem Album nicht viel falsch machen. Gerade in den fröhlicheren Momenten fernab vom klassischen Vocal Jazz blüht die 58-Jährige mittlerweile richtig auf.
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