laut.de-Kritik

Classic Rock statt Zeitgeist.

Review von

"Keine Vergangenheit". Unpassender als dieser Albumtitel-Zusatz lässt sich die die augenblickliche Situation der Smashing Pumpkins nicht beschreiben. Diese Band, die durch schönen Erinnerungen an die frühen 90er-Meisterwerke lebt. Damals, als Billy Corgan sein übergroßes Ego und auch die wirklichen großartigen Songs im Griff hatte. Der kreative Niedergang begann mit "Machina/The Machines Of God", dem im schlechten Sinne wegweisenden Album, das nach der jugendlichen Indie-Phase und dem Durchbruch mit "Mellon Collie & The Infinite Sadness" die dritte und unerfreuliche Phase der Pumpkins einleitete. Die traurigen Songs wie "To Forgive", "Muzzle" oder "Mayonnaise" konnten sich die Indie-Kids der Neunziger schön in ihr Regal stellen, aber dem Smashing Pumpkins-Chef war nun nach kraftstrotzenden Rockern wie "Heavy Metal Machine" zumute.

Nach dem missglückten Comeback-Versuch "Zeitgeist" und halbgaren Alben mit wechselnden Musikern stehen für das neue Album tatsächlich wieder zwei von drei Originalmitgliedern (Gitarrist James Iha und Drummer Jimmy Chamberlin) bereit, um den Befehlen ihres Band-Diktators zu gehorchen, nur Bassistin D’arcy Wretzky verspürt immer noch keine Lust sich Corgan zu unterwerfen und dem Gestrengen das Knie zu beugen.

Der befindet sich seit dem Solo-Album "Ogilala" nicht nur in der Mitte des Lebens, sondern ist nun auch im altersgemäßen Adult Rock angekommen. Dafür gab es erstmals seit Jahren nicht mehr Haue von den verhassten Kritikern, die ihm schon lange nicht mehr Gefolgschaft gewährten, sondern sogar verhaltenes Lob. Die Sympathien verspielte er gleich wieder mit Auftritten in der Web-TV-Show des rechten Verschwörungstheoretikers Alex Jones.

Genau so aus der Zeit gefallen wie die politische Ansichten ist auch "Shiny And Oh So Bright", das den Weg des behäbigen Soloalbums weiter führt und den Fans ordentliche Nostalgie-Schübe gibt. "Marchin On" will ein wenig "Silverfuck" sein, "With Sympathy" hat fast den Schmerz von "Try, Try, Try", wird aber zügig von Rick Rubin und seiner glatten Produktion betäubt. Ja genau, der bärtige Kauz, dessen Stärke es war, seinen Schützlingen wie Johnny Cash wieder ihre Erdigkeit zurückzubringen und mittlerweile durch solide Auftragsarbeit für Adele auffällt. Die eigene Legende wird wie bei den Smashing Pumpkins bequem verwaltet.

Wen interessiert es bei entsprechendem Honorar auch, dass "Seek & Shall Destroy" nach biederem Classic Rock müffelt und "Knights Of Malta" wie Pink Floyd in ihrer müden Endphase klingt. "Silvery Sometimes (Ghosts)" wehrt sich mit allerletzter Kraft gegen das Einzwängen in das glattgebügelte Format. Das Gitarren-Solo heult so verzweifelt auf, dass nur noch die Notruf-Hotline für missbrauchte Song-Ideen einen Ausweg aus der Misere bietet. Ein Highlight bleibt der Song trotz der Studio-Schändung, ganz einfach weil in Corgan immer noch die großen Melodien stecken. Umso verwunderlicher, dass er nicht auf diese Grund-Catchyness vertraut und immer noch weitere übertriebene Pathos-Gesten sucht, die alles endgültig ins Comichafte verzerren.

Nicht dass die Smashing Pumpkins jemals ohne Pathos und Theatralik ausgekommen wären, aber es waren immer die ruhigen Momente oder der Selbsthass, die den Übermenschen Billy wieder irdisch erscheinen ließen. "The more you change the less you feel/Believe, believe in me, believe" flehte er in "Tonight!Tonight!", dem schönsten Pumpkins-Song aller Zeiten. Eine düstere Zukunftsvision, die "Aliennation" in die Realität umsetzt. Eine von Corgans Lieblingsbands sind die Scorpions. Es scheint, als ob die teutonischen Hardrock-Balladen doch mehr Eindruck als nötig hinterließen. Die Schmalzigkeit und der schiefe Gesang stehen den Schmacht-Nummern der Hannoveraner in nichts nach. Als der Smashing Pumpkins-Frontmann in den späten 90ern seine Liebe zu den Hannoveranern auf der Bühne kund tat, lachte das Publikum noch, heute schon lange nicht mehr. Klaus Meine würde zumindest seine Ledermütze ziehen.

Eines ist dann den alten Herren Rubin und Corgan aber doch gelungen: "Shiny On And Oh So Bright" klingt wie aus einem Guss, während die Vorgänger einfach orientierungslos wie eine Patchwork-Arbeit umher irrten und Zeugnisse einer Identitätskrise waren. Das macht dieses durchschnittliche Rock-Album zum tatsächlich Besten, das unter dem Namen Smashing Pumpkins die letzten 20 Jahre veröffentlicht wurde. Der Abstand zu "Siamese Dreams" und "Mellon Collie" bleibt trotzdem zu groß, um den ersten Teil von "Shiny And Oh So Bright..." als großes Comeback zu sehen. Ein kleines bisschen Friedensangebot an die über fast zwei Jahrzehnte vergraulten Fans, die auch nicht jünger werden und nun die Dad Rock-Werdung der früher so zynischen Jugendhelden erleben. "Zero" ist tot und wird in der Zukunft nicht mehr so schnell auferstehen.

Trackliste

  1. 1. Knights Of Malta
  2. 2. Silvery Sometimes (Ghosts)
  3. 3. Travels
  4. 4. Solara
  5. 5. Alienation
  6. 6. Marchin' On
  7. 7. With Sympathy
  8. 8. Seek and You Shall Destroy

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9 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Als Smashing Pumpkins Fan hat man es definitiv nicht leicht in diesen Tagen. Sorry aber diese magere, kleine Ansammlung von halbgaren Songs ein Album zu nennen ist echt erbärmlich. Da waren selbst Zeitgeist, Oceania und Monuments stimmiger. Man hätte daraus - wie vorab angekündigt - eine EP machen sollen. Es ist zwar nett, dass die vier essentiellsten Musiker der Band endlich wieder vereint sind, doch anscheinend haben sie derzeit nichts relevantes mehr zu sagen, das Pulver wirkt verschossen. Vielleicht muss aber auch nach so vielen Jahren Pause erstmal die Chemie wiederhergestellt werden. Aber allen voran täte der Band mal ein hungriger Produzent gut, der Corgan & Co mal so richtig in den Ar*** tritt und die Truppe wieder ordentlich herausgefordert und sie aus der lethargischen Comfortzone zerrt.

    Zu den Songs selber... von den acht Stücken taugen mir im Prinzip zur 2 (anhalb). Knights of Malta klingt sehr solide und ist mit Abstand der beste Track weil die Pumpkins hier noch am meisten experimentiert haben. Solara erinnert an die großen Taten der Vergangenheit aber im direkten Vergleich war Tarantula aus Zeitgeist der bessere und stimmigere Comeback Track. Und da wäre noch Silvery Sometimes... der ein wenig wie der kleine, behinderte aber irgendwo doch sympatische Bruder von 1979 klingt. Nett aber wieso den anhören wenn man das Original hat? Die restlichen 5 Tracks sind übelster Cringe und einfach nur zum davonlaufen schlecht.

    Rick Rubin schafft es also eine weitere große Band glattzubügeln und weichzuspülen. Der sollte echt mal in Rente gehen... Billy und die Gang eventuell auch wenn das so weitergeht. Trauerspiel ist noch untertrieben. 1/5, schade um die 9,99 €.

  • Vor 6 Jahren

    ""The more you change the less you feel/Believe, believe in me, believe" flehte er in "Tonight!Tonight!", dem schönsten Pumpkins-Song aller Zeiten."

    "Disarm" FTW!

  • Vor 6 Jahren

    Heavy Metal Machine ist auf Machina zwischen Try, Stand inside your Love oder This Time nicht wirklich ein bezeichnender Song für Machina. Finde das Album im allgemeinen heute viel besser als damals und sehe den stetigen Untergang erst seit Zeitgeist.

    Eyes of Ruby, Mayonaise, Disarm oder Behold the Nightmare sind nur einige Beispiele für schönere Songs als Tonight.

    Oceania war mit Ausnahme des Oppeners ein in sich sehr stimmiges Album „aus einem Guss“. Zwar ohne „Hits“, aber als Album funktioniert es viel beser als diese neuen zusammengewürfelten Songs.

    Ansonsten finde ich Knights, Silvery, und Solara ganz gut. Die paar Songs als Album zu verkaufen ist aber eine Frechheit.

  • Vor 6 Jahren

    Für 6 Songs zücke ich aber nicht das Portemonnaie. Vielleicht gibt's die ja mal bei nem Black Bullshit Säle...

  • Vor 6 Jahren

    Mir gefällt es gut. Nahtos an Oceania angelehnt. Rick Rubin hat denen einen neuen Sound gezimmert, denn Grunge ist tot. Die STimme von Corgan bleibt prägnant.

  • Vor 3 Jahren

    Überhaupt nicht mein Fall. Auch nach dem fünften Durchlauf will kein Song zünden.

    Das letzte Album (Monuments) ist in den letzten Jahren bei mir gewachsen und obwohl es deutlich schlechter produziert ist als diese Scheibe, haben die Songs immerhin Charakter. Das hier klingt so verdammt harmlos und jeder Song dümpelt nur vor sich hin (With Sympathy) das man denken könnte Corgan musste unter vorgehaltener Pistole sechs Songs in der Mittagspause runterbuttern.
    Klar, klingt das hier anders als man das von den Kurbiköpfen gewohnt ist, und das ist nicht das Problem. Aber für mich klingt das als ob die Band sich nicht richtig wohl gefühlt hat mit dem Material und einfach blindlings ein kleines Album liefert um zu sehen wie es ankommt.

    Silvery Sometimes ist der einzige Song der einen gewissen Drive hat. Leider geht auch dem Song ziemlich schnell die Ideen aus und es hätte nicht geschadet ein paar Tage mehr daran zu feilen.