laut.de-Kritik
Kurz und schmerzvoll, aber beeindruckend.
Review von Jasmin LützDer Band Squid aus Brighton sollte man mindestens einmal live begegnen. Dann erlebt man ein unvergessliches und kreativ vielseitiges Konzertereignis. Erster positiver Eindruck: Hauptsänger Ollie Judge sitzt am Schlagzeug. Der zweite Kreisch-Effekt setzt spätestens ein, wenn alle Instrumente mit der Trompete von Laurie Nankivell kollidieren.
So wie beim Opener des zweiten Albums "O Monolith". Ein impulsives Klangerlebnis zwischen Instrumenten und Vocals, die bereits nach den ersten Zeilen im Ohr hängen bleiben: "To live inside the frame, and forget everything, a swing inside a dream / And all they'll do is scream." Man schwingt und lauscht dem überdimensionalen Folklore-Style "Swing (In A Dream)" und weiß: Die Musik von Squid ist eine melodische Herzensangelegenheit. Bereits das erste Album "Bright Green Field" (2021) erhielt durchweg positive Kritiken und auch hier fühlt man sich sofort eingeladen, Platz zu nehmen.
Aber lange hält man es im Sitzbereich nicht aus. "Devil's Den" schleicht sich langsam an, um sich dann vollkommen enthusiastisch in deine kompletten Eingeweide zu hämmern. Kurz und schmerzvoll, aber nachhaltig beeindruckend. Auf dem Debüt thematisierten die in London lebenden Musiker das Stadtleben und die unzumutbaren wirtschaftlichen Entwicklungen in Großbritannien. Diese Inhalte stehen weiterhin im Mittelpunkt. Für "O Monolith" zieht sich die neue Gitarren-Generation allerdings aufs Land zurück und beobachtet ihren dortigen Lebensraum mit der gewohnten Intensität. Alle Emotionen und Entwicklungen packen sie in nur acht rastlose Sound-Pakete. Das Keyboard schwebt und der Rhythmus dreht durch ("Siphon Song").
Squid scheinen sich mit jedem Song neu zu erfinden. Auf jeden Fall funktionieren sie harmonisch in der Gemeinschaft. Sie selbst sagen, es gäbe innerhalb der Band keine Hierarchien. Doppelter Sympathiepunkt. Zwischen Post-Punk, Indie-Pop und Folk-Step erforschen sie neue Klangdimensionen. "Undergrowth" erinnert an 1990er-Jahre-Hits von Bands wie The Soup Dragons. Die Experimente mit Synthie und Orchesterbegleitung scheinen inspiriert von Spiritualized. Wow, das wäre mal ein Konzert-Feature - Squid und Spiritualized an einem Abend. Grandios. Für prominente Unterstützung auf "O Monolith" sorgen Produzent Dan Carey (Tame Impala, Fontaines D.C.) und John McEntire (Tortoise), der für die gute Abmischung zuständig ist.
Und immer wieder die Aufforderung zum ekstatischen Tanzen ("The Blades"), gefolgt von nachdenklichen, schönen Melodien mit Trompete. Sänger Ollie kreischt oder flüstert seine Worte ins Mikro. "Green Light" setzt dann abwechslungsreich und voller Energie zum betäubenden Finale an. Auch das abschließende "If You Had Seen The Bull's Swimming Attempts You Would Have Stayed Away". Nicht nur ein ewig langer Songtitel, sondern auch eine Art Rock-Oper, eine Symphonie zwischen Menschen und Ratten. Bevor die Welt untergeht und diese tolle Band mit ihr, sollte man sich das nächste Squid-Konzert schon jetzt fett im Kalender markieren.
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