laut.de-Biographie
Station 17
Station 17 entsteht 1988 in Hamburg. Abgeschlossen von der Öffentlichkeit leben dort behinderte Menschen in Wohngruppen zusammen. In der Wohngruppe 17 entwickelt sich die Idee, gemeinsam mit nicht-behinderten Menschen Musik zu machen. Die Ursuppe des Projekts ist angesetzt.
Initiator des Unterfangens ist der Hamburger Erzieher und Musiker Kai Boysen, der recht schnell Unterstützung findet. Mark Chung (Einstürzende Neubauten) vom Freibank Musikverlag ist begeistert, Station 17 nimmt Gestalt an. "Musik mit geistig behinderten Menschen muss von Anfang an gleich zwei Diskursfallen überlisten. Jenseits von gönnerischem Gutmenschentum und vorführender Freakshow müssen Station 17 ihre eigene künstlerische Sprache finden." Das ziehen sie über Jahrzehnte hinweg erfolgreich durch.
Jeweils ein Behinderter aus Alsterdorf produziert zusammen mit einem nicht-behinderten Musikproduzenten einen Track. Zu den Produzenten der ersten Stunde gehören unterschiedlichste Musiker von Holger Czukay (Can), F M Einheit (Einstürzende Neubauten), Thomas Fehlmann (The Orb) bis zu den Toten Hosen. 1991 erscheint mit "Station 17" das erste Album. Die musikalische Bandbreite reicht von Heavy Metal über Rock, Electro und House bis zu Experimental-Kunst.
Improvisation plus Computer-Technik, so heißt bis 1996 das Station 17-Konzept, bis ein erster Bruch in der Bandentwicklung stattfindet. Die permanente Improvisation funktioniert nicht mehr. Harre Kühnast speist daraufhin mit stoischen Minimal-Platten von LFO bis Basic Channel neue Ingredienzien ein, Disco kommt ins Spiel und 1997 doch wieder ein Album-Nachfolger. "Scheibe" bringt den Durchbruch im Musikgeschäft. Station 17 treten unter anderem auf dem Hurricane Festival auf.
2001 folgt mit "Hitparade" das bis dato erfolgreichste Album, das auch strukturelle Veränderungen mit sich bringt. Ältere Mitglieder ziehen sich zurück, neue stoßen hinzu. Bis auf Harre Kühnast und Kai Boysen tauscht sich die Band zweimal komplett aus. Nach 2002 steigen schließlich Boysen und 2006 auch Kühnast als aktive Musiker aus.
Boysen wird Kopf einer eigens gegründeten GmbH, um den gewachsenen Anforderungen gerecht zu werden. Barner 16, in der gleichnamigen Barnerstr. 16 in Hamburg beheimatet, bietet die benötigte Infrastruktur für neue Seitenprojekte, wie etwa das Rock-Cover-Bandprojekt kUNDEkÖNIG, ein eigenes Nachwuchsprojekt Allstars Tba, das Jazz-Projekt Turiajazz und das Wissenschaftliche Orchester.
Seit 2006 hat Station 17 mit 17rec. sogar ein eigenes Label. Kai Fischer (Echt) ersetzt Boysens Part an der Gitarre, neu hinzu kommt auch Bassist Nils Kacirek. Die Aufbruchstimmung überschattet Anfang 2005 nur der plötzliche Tod von Michael "Schlappi" Schlapkohl, der als Sänger und Texter fünf Alben aufgenommen und unzählige Konzerte gespielt hatte. "Mikroprofessor" (2006) zielt auf den Dancefloor und bleibt doch dem Musikkonzept treu. Sinnverstellte Textfragmente treffen auf elektronische Tanzmusik.
2008 folgt ein neues Projekt. Insgesamt sechs Vinyl-Maxis nebst Remixen erscheinen in zeitlichen Abständen von vier bis sechs Wochen, zusammen unter anderem mit Fettes Brot, Stereo Total, Robocop Kraus und Melissa Logan (Chicks On Speed).
Die Veränderung und Entwicklung der personellen und musikalischen Struktur bleibt auch in den Folgejahren fester Bestandteil von Station 17. Leute kommen und gehen, zwischen Elektro-Sounds ("Goldstein Variationen") und Krautrock-Experimenten ("Fieber") ist alles erlaubt.
Im Jahr 2014 gehen die Verantwortlichen einen Schritt weiter. In wechselnden Arbeits-Einheiten streben sie eine neue Ebene des Songwritings an. Station 17 wollen endlich bekannter werden. Mit dem Album "Alles Für Alle" setzen sie alles auf die Pop-Karte: "Ich bin froh, dass wir mit diesem Album Songs erzeugt haben, die zumindest theoretisch Radio-Potenzial besitzen", zeigt sich Produzent Alex Tsitsigias begeistert.
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