laut.de-Kritik
Wenn hier die Knochen splittern, regnet es Regenbögen.
Review von Matthias Manthe"The world is a ploy", singt Dominique Lenore Persi mit einer Eindringlichkeit, die klarmacht: Sie und ihre Stolen Babies hatten gar keine andere Wahl. Sie mussten, um dem alltäglichen Wahnsinn zu entfliehen, aus ihrem Trickspiel (id est Banddasein) ihre eigene Welt kreieren. Weshalb die ehemalige Highschool-Performance-Truppe ein Gesamtpopwerk aus Industrial-, Goth- und Metal-Pappmaché bastelte, Brody Dale in der Pfeife rauchte und mehrmals kräftig inhalierte.
Herausgekommen ist eine Art würdiger Repräsentant des Albumtitels "The Golden Age Of Grotesque". Wir erinnern uns kurz an Herrn Manson, der mit der Headline ja seinerzeit selbst das Ende seiner Relevanz einläutete. Fertig? Dann weiter.
Tief getränkt in die comichafte Morbidität des Tim Burtonschen Oeuvres (wie auch motiviert von unzähligen Halbstunden mit der Addams Family, in den Sechzigern vielleicht die US-Familienidyll-Karikatur schlechthin), erwächst aus beeindruckender Fingerfertigkeit eine recht einmalige Folterkammer.
Denn auch wenn die gebürtige Australierin Persi ganz wie ihr American Idol Mike Patton von Singen über Flüstern und Krächzen hin zum Zetermordio das komplette Register zieht: Die Gitterstäbe sind in diesem Hexen-/Irrenhaus aus Lakritz. Und die weißen Mäuse selbstverständlich essbar. Es gibt jede Menge schräge Schläge vom Dillinger Escape Plan-Kutscher, Horrororgeln, Akkordeon und weiteres Varieté-Repertoire.
In melodramatischer Überzeichnung hetzen, thrashen, poltern diese Dark Cabaret-Schüler mit Verbindungen zur Avantgarde um Sleepytime Gorilla Museum über dorniges Gelände. Wenn hier die Knochen splittern, regnet es Regenbögen. Wenn hier der Tower Of London das letzte Stündlein schlägt, setzt eine makabre Tuba den komischen Kontrapunkt.
Dann und wann werden schmiegsame Melodien freigelassen – aber nur, um sie von der dämonischen Instrumentalabteilung zu Tode hetzen zu lassen. Kein Horrorklischee bleibt unangetastet, alles brutzelt bei 360 Grad im Ironie-Ofen, bis es im Abschiedslamento "Gathering Fingers" heißt: "I'm sorry you had to see this side of me". Alles klar, Dominique. Wir verstehen schon. Zwinkerzwinker.
5 Kommentare
Unbedingte Kaufempfehlung für diese Wahnsinns-Scheibe. Macht "unheimlich" Spaß!
Tim
Hört sich gut an, waren auch CD-Tip bei Dosenmusik.
Und sind Vorband von Dillinger Escape Plan.
Hat auf jeden Fall Blood Brotherseinflüsse.
Die CD ansich ist ja nicht neu. Die kam schon letztes Jahr in den US of A raus.
Wie auch immer, die CD ist absolut empfehlenswert, sehr spezielle Musik mit Pop bis Metal einflüssen. Ich freu mich ebenfalls auf die Tour mit DEP im März.
Bin auch total überrascht, das Album ist genial. Verspielt, krank und witzig ^^ Vor allem wird nicht permanent geschrien und derselbe Riff in Dauerschleife runtergelaiert - hier passiert richtig was!
Ja! Jaaaaaaaaaaaa! JAAAAAAAAAAAAAAAAA!
Endlich mal wieder eine Band, die die Bezeichnung "innovativ" verdient! Erinnert mich ein bisschen an Arcturus. Ganz großes Kino!