laut.de-Kritik
Let There Be Drone.
Review von Dominik KautzFast könnte man meinen, im Hauptquartier des in Seattle ansässigen Drone Metal-Duos Sunn O))) sei die Hektik ausgebrochen. Vor wenigen Monaten erst veröffentlichten die Meister der kunstvoll kontrollierten Langsamkeit ihren letzten Klangbrocken "Life Metal". "Pyroclasts" ist nun allerdings weniger als ein komplett eigenständiges Werk, sondern explizit als gleichberechtigtes, komplementierendes "Schwesteralbum" zum Vorgänger zu verstehen.
Die vier komplett instrumentalen Tracks entstanden im Juli 2018 zeitgleich während der Recording Sessions zu "Life Metal" mit Produzenten-Guru Steve Albini in dessen Electrical Audio Studio in Chicago, Illinois. Folglich besteht das Personal auf "Pyroclasts", neben den Protagonisten Stephen O'Malley und Greg Anderson, erneut aus Bassist Tim Midyett, Multiinstrumentalist Tos Nieuwenhuizen alias T.O.S. sowie der Cellistin Hildur Guðnadóttir.
Alle Beteiligten trafen sich im Verlauf des zweiwöchigen Studioaufenthaltes entweder morgens vor oder abends nach den Aufnahmen für eine kathartische "tägliche Übung" zum improvisatorisch angeleiteten Musizieren. Gegensätzlich zu den durchkomponierten Stücken auf "Life Metal" allerdings, tönt jeder der neuen Songs auf "Pyroclasts" nur jeweils um eine einzige, als Orgelton respektive Drone fungierende Note. Das mag jetzt zwar erst einmal langweilig klingen, ist es aber zu keiner Sekunde. Das stoische, ähnlich eines langsamen, bedrohlich dunklen Lavastroms alles plattwalzende und sich immerzu tektonisch aufschichtende Brummen und Dröhnen dieser modalen Drones zieht einen sofort in seinen Bann, wodurch die Platte zu einem besonders hypnotischen und intensiven Hörerlebnis wächst. Immer mit dabei: Eine Stoppuhr, um all diese gewaltigen Séancen auf ungefähr zwölf Minuten zu begrenzen.
Der Opener "Frost (C)" beginnt mit einem in tiefen Bassregionen wabernden Feedback und wirkt wie eine bedrohliche, unheilvolle Mahnung aus weiter Ferne. Nach wenigen Sekunden bricht ein infernaler Drone in C wie eine aus dem Nichts kommende dämonische Urgewalt mit aller Macht über den Hörer und reißt ihn hinab in einen flächendeckenden, unendlich tiefen Schlund voller Dunkelheit und Schatten. Hier und da blitzen in feinsten Nuancen eingesetzte, hell aufschreiende Gitarrentöne aus dem dichten Soundgewebe. Schnell wird klar: trotz der kleinen Glanzlichter ist hier nichts von der optimistischen Grundstimmung zu spüren, die das strahlende "Life Metal" transportiert.
Im darauf folgenden "Kingdoms (G)" legen die Grimmrobe Demons nochmal eine ordentliche Portion Schwere drauf und versetzen den Rezipienten in ein sinistres Klangbad. Dieser bodenlose Ozean aus sich überlagernden Frequenzen, Phasenverschiebungen und unerbittlich-majestätischen Subbässen wirkt dabei auf eine bizarre Art angenehm und verstörend zugleich. Die in "Kingdoms (G)" aufgebaute Grundstimmung mündet in das etwas freundlicher und heller klingende "Ampliphædies (E)", aus dessen reduzierten Drones sich zwischen all den erhabenen Rückkopplungen sogar zaghafte Andeutungen sanfter und überaus zerbrechlicher Gitarrensoli herausschälen.
Das überaus böse tönende und weltenzerstörende Monstrum "Ascension (A)" konterkariert die zuvor für Sunn O)))-Verhältnisse fast schon pastoral wirkende Atmosphäre. Gleich eines repetitiven, sonischen Erdbebens zelebrieren die Kuttenträger hier alle Regeln ihrer Kunst und erschaffen dadurch ein orgiastisch überschäumendes Himmelfahrtskommando. Die archaische Eleganz, die die Klangdruiden hier auftürmen sucht auf "Pyroclasts" seinesgleichen und macht den Song zum kontemplativsten und in jeder Hinsicht mystischsten Stück der Platte.
Die homogenen und substantiell konzentrierten Stücke auf "Pyroclasts" stellen in ihrer asketischen Gesamtheit so etwas wie das Miasma und damit das Tor und den Schlüssel zum gleichzeitig eingespielten, aber deutlich komplexeren "Life Metal" dar. Dies erklärt auch den enigmatischen Titel des Albums, denn in der Geologie bezeichnen Pyroklasten Bruchstücke oder Gesteinsfragmente, die während eines Vulkanausbruches zu Tage kommen.
Zwar gewinnen Sunn O))) hiermit keinen Innovationspreis für Komposition. Darum aber geht es in dieser Ansammlung modaler Drones auch in keinster Weise. Die monolithische Atmosphäre, die Stephen O'Malley und Greg Anderson hier mit ihren Gästen erschaffen, steht für sich selbst. "Life Metal" und "Pyroclasts" verhalten sich wie das daoistische Yin und Yang zueinander: beide Platten verschmelzen erst als untrennbare Einheit zu einem größeren, merkwürdig-eigentümlichen Ganzen. Ever breath a frequency? Let there be drone!
1 Kommentar
klingt wie kacke in meinen ohren