laut.de-Kritik
Zeitlos und immergrün.
Review von Steffen EggertSchon zur Zeit ihrer Gründung im Jahre 2008, damals noch unter dem Namen Daylight, packt man die langhaarigen Jungs aus Pennsylvania in die alte muffige Schublade Grunge. Klangliche Ähnlichkeiten zu den großen Playern jener eigentlich doch eher kurzen Ära lassen sich tatsächlich feststellen, wobei wir vom Plagiat in etwa so weit weg sind wie Seattle von Oer-Erkenschwick, viel zu vielseitig ist der Gesamtsound. Nach einigen durchaus wohlwollend aufgenommenen EPs treffen ihre beiden Alben "Jar" (2013), vor allem aber "Ours Is Chrome" (2015) bei immer mehr jungen und jung gebliebenen Indierock-Fans voll ins Schwarze, und die Band verliert nach und nach ihren Status als Geheimtipp. Ähnlich einer On-Off-Beziehung ist immer wieder unklar, ob Superheaven eine gemeinsame Zukunft begehen werden oder unverdienterweise in der Versenkung verschwinden.
Ende des letzten Jahres erscheint überraschend der erste neue Song seit beinahe zehn Jahren und nun mit einem selbstbetitelten Album ein sehr valides Zeichen, dass man wohl noch einmal Anlauf nehmen will. Und das, so viel sei vorweggenommen, ohne nennenswerte Kompromisse. Nach etwas statischem Rauschen dringt "Human For Toys" mit einem fetten, aber dennoch verträumten Stoner-Psych Riff in die erwartungsvollen Ohren, während Sänger Jake Clarke seine druckvolle und doch sehr angenehme Stimme präsentiert. Obwohl nicht wirklich viel passiert, kleben alle nach und nach entfesselten Melodien wie Ahornsirup in den Ohren und das nach lediglich zweieinhalb Minuten.
Irgendwo zwischen Pixies, My Bloody Valentine und allen nennenswerten Emo-Hardcore Bands der 90er liegt das super melodische "Numb To What Is Real" und bezaubert auch ohne großen Schnickschnack allein durch seine gespenstische Präsenz. Tiefe, verzerrte Gitarren, ein allzeit vitaler und präsenter Bass und dezent treibende Drums ziehen sich durch die komplette Laufzeit. Eine eindeutige Genrebeschreibung lässt sich unter keinen Umständen treffen, alles ist und bleibt irgendwo dazwischen.
Die Songs von Superheaven leben nahezu alle von unumgänglichen Harmonien und einer vordergründigen Simplizität, die sich bei näherer Betrachtung als schlichtes Talent für gute Rocksongs entpuppt. Zu jedem einzelnen Stück treten reihenweise mögliche Reminiszenzen an alle alten Indierock-Held*innen auf den Plan, aber kein einziger Ton ist geklaut. So verbindet "Cruel Times" die Härte von Helmet mit den sleazigen Klängen der frühen Soundgarden, gekocht wird dabei ausschließlich mit Wasser und immer homogen bleibenden Grundsounds. Und trotzdem wohnt allem ein Zauber inne.
Die besinnliche Post-Hardcore Hymne "Stare At The Void", der heimliche Hit des Albums, wiederholt ein simples, aber unfassbar eingängiges Riff an den stets passenden Stellen, während das balladeske "Conflicted Mood" nicht nur aufgrund der Verwendung einer Baritongitarre klingt wie eine aufgemotzte Version des Twin Peaks Themas "Fire Walk With Me". Wenn man den lange totgesagten Grungesound mit der schrulligen Lieblichkeit des Shoegaze mischt, kräftig schüttelt und alles in den Orbit schießt, erhält man Songs wie das wunderschöne "Next Time" oder das mit allerhand fremdartigen Effekten gespickte "The Curtain". Auf eine sehr positive Art melancholisch, psychedelisch, unaufgeregt und doch spannend fällt dieser Vorhang nach einer guten halben Stunde und hinterlässt ein Glücksgefühl. Sollte man sich nun besonders alt fühlen oder gar wieder jung?
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