laut.de-Kritik
Der M83-Founder paart schwelende Elektro-Sounds mit lauten Gitarren.
Review von Kai ButterweckMan kann sich vor poppigen Klängen verneigen, indem man sich die ausschweifende Oberfläche des Genres zu Nutze macht. Am besten mit Hilfe von eingängigen Melodien, simplen Background-Strukturen und einer cleveren Vermarktungsabteilung im Rücken. Man kann der funkelnden Branchen-Fassade aber auch den Stinkefinger zeigen, tiefer gehen und der Welt beweisen, dass Popmusik mehr sein kann als eine kurzlebige Klangberieselung für Menschen, die lediglich zum Einkaufen den MP3-Player aus der Tasche holen. Genau das war die Marschrichtung für Ex-M83-Kopf Nicolas Fromageau und seine vier Team Ghost-Mitstreiter, als sie sich im vergangenen Jahr an die Arbeiten für ihr Debütalbum machten.
Herausgekommen ist "Rituals", das eine atmosphärische Verbindung zwischen Synthie-lastigem Brian Eno-Pop und crunchigem Indierock der Neuzeit herstellt. Hier treffen angezerrte Telecaster-Sounds ("Curtains") und fulminante Synthie-Exzesse ("Dead Film Star") auf in Hall gebettete Ambient-EBM-Einwürfe ("Things Are Sometimes Tragic") und mystische Art-Pop-Klangteppiche ("Broken Devices", "All We Left Behind").
Aufwühlend abgestimmt mit den nebulösen, fast schon narkotisierenden Stimmfarben der beiden Sänger Nicolas Fromageua und Christophe Guerin entwickelt sich so ein schattenhaftes Klanggebilde voller Nischen: "Das Ziel war, die rohe Lebensenergie einer Band mit der Präzision einer synthetisierten Landschaft zu mischen", erklärt der französische Produzent des Albums Benoit de Villeneuve. Die Band beeindruckt vor allem mit einem feinen Gespür für Dynamiken; eben noch im siffigen Indie-Bunker rockend ("Fireworks"), präsentiert sich das Quintett keine vier Minuten später als pumpendes Dancefloor-Kollektiv ("Montreuil").
"Rituals" ist ein Album, das sich erst nach dem zweiten oder dritten Durchlauf komplett entblößt. Immer wieder stellen sich Sound-Abzweigungen in den Weg, die den vermeintlich eingeschlagenen Pfad in Frage stellen. Wer allerdings über einen lange Atem verfügt und sich die nötige Zeit für das Album nimmt, der wird am Ende auch viele der zunächst entstehenden Fragezeichen in dicke Ausrufezeichen umwandeln können.
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