laut.de-Kritik

Ordentlich lärmendes Album für Konsens-Punks.

Review von

Weg waren sie. In einem Akt des Widerstandes verließen Team Scheisse Instagram und damit 50.000 Follower. Gar nicht mal so unbedeutend für eine Band, die weniger durch ihre Musik als ein sehr gutes Social-Media-Marketing und Aktivismus auffällt. Mark Zuckerberg juckt es natürlich herzlich wenig, wenn eine Band aus Germany aus seinem Metaverse verschwindet, noch dazu eine linke. Umgekehrt stellt sich die Frage, was eine Punkband überhaupt so lange auf einer Plattform hielt, die eigentlich nie als Underground-Tool bekannt war.

Die Band wusste jedenfalls schon früh um die Möglichkeiten von Social Media und einer Partnerschaft mit Jan Böhmermann. Der Song "Jan Böhmermann Weint Und Ich Auch" vom letzten Album "042124192799" mag eine dreiste Ankumpelung gewesen sein, brachte Team Scheisse jedoch einiges an Medienaufmerksamkeit. Der beste Weg, um diese Erfolgsgeschichte vom JuZe ins Kölner Palladium nicht zu beenden, lautet natürlich: keine Weitentwicklung. Die Band kokettiert selbst damit, und warum auch weiter entwickeln, wenn die Feindbilder auf dem Status Quo verbleiben.

Da gibt es in "Pluto" einen Ausschnitt von Markus Söder, wie er tatsächlich über "zwanghafte Veganisierung Deutschlands" faselt. Das ist schon an sich so viel Satire, dass der Song keine weitere Ebene mehr öffnen kann. Also listet Sänger Timo Warkus noch weitere Tiefschläger der letzten Jahre auf: Klimakrise, den Tod von Prince und immer wieder CDU. Die Verantwortung für den ganzen Schlamassel tragen diejenigen, die Pluto bereits 2006 zum Zwergplaneten degradierten. Das war's, das ist tatsächlich die einzige Pointe. Die Songtitel von Team Scheisse spoilern sofort, wohin die Reise geht. "Der Wirtschaft" hat als Highlight, dass die Wirtschaft doof ist. Es gibt da draußen tausende Bands, die mittelgute Texte schreiben, aber Team Scheisse haben es mit so einem einfachen Satire-Muster tatsächlich sehr weit geschafft.

Die wuchtige Produktion hat man auf "20 Jahre Drehorgel" dermaßen bearbeitet, dass sie eben genauso räudig wie Straßenpunk der Marke Hass oder Canal Terror klingen soll. Was bei vielen Bands aus der damaligen Zeit schlichtweg wirkliches Unvermögen war, ist bei Team Scheisse gewollte Demotape-Ästhetik. Es soll dreckig klingen, also schiebt man die Regler alle auf Anschlag, damit es irgendwie an Schlachthof 1984 erinnert. Eine gar nicht mal schlechte Ausnahme, wenn man an Broilers, Rogers oder andere muckerhafte Mega-Event-Bespaßungen samt Beschwörung von Männer-Kumpeleien bedenkt.

Dabei wären Team Scheisse eigentlich die perfekte Band für den nächsten Umzug im Rheinland. "Mittelfinger" und "Spuckstein" bieten einfach mehr Mitgröl-Schunkler als Kasalla, und Memes sind eh die Mottowagen des Internets. Wagenbauer Jacques Tilly bekam übrigens jetzt schon 25 Anzeigen an den Hals, weil er Alice Weidel satirisch darstellte. Irgendwie mehr Courage als Team Scheisse, die weiterhin verkrampft die nächsten Meme-Songs für ihre Fanbase droppen. Da weder Band noch Fans etwas an der sicheren Mitte ändern wollen, gibt es zum dritten Mal ein ordentlich lärmendes Album für Konsens-Punks.

Trackliste

  1. 1. Lok
  2. 2. Alle Meine Hobbies
  3. 3. Altbauwohnung
  4. 4. Kaffee Die Tage
  5. 5. RaufaserTapete
  6. 6. Cop Killer vVn Body Count
  7. 7. Pluto
  8. 8. Raucherpausenvibes
  9. 9. Spuckstein
  10. 10. Mittelfinger
  11. 11. Beige
  12. 12. Der Wirtschaft
  13. 13. Ikeamensch
  14. 14. Erwachsenencosplay
  15. 15. Wo Ich Bin Ist Die Party (Die Party Bin Ich) (Ich Bin Die Party)

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LAUT.DE-PORTRÄT Team Scheisse

Schon an ihrer Namenswahl merkt man: Die Punkgruppe Team Scheisse besitzt eine ordentliche Portion Humor und nimmt sich nicht ernster als nötig. Selbstironie …

7 Kommentare mit 17 Antworten

  • Vor 11 Stunden

    Schön, wie einig wir uns sind, wie sehr Rinko hier ins Klo gegriffen hat. Ist nicht die geilste Musik der Welt, aber alletmindestens stabil. In Prä-Faschismus-Zeiten sollte darüber hinaus jede Band nen kleinen Bonus kriegen, die ausnahmsweise nicht unpolitisch ist, und keinen Hass verbreitet (direkt oder indirekt).

  • Vor 10 Stunden

    Stimme allen zu. Wer sein Album "20 Jahre Drehorgel" nennt, hat mindestens 4 Sterne verdient ;).

  • Vor 8 Stunden

    Die Kommentare hier verdeutlichen, wie gut der Autor mit "Konsens-Punks" den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Unfassbar, dass man sich sogar in der Punk-Szene seit einigen Jahren, selbst von ansonsten zurechnungsfähigen Leuten, anhören muss, dass es sich hierbei ernsthaft um eine gute und originelle Band handeln solle. Glücklicherweise sind außerhalb der Social-Media-Bubbles aber immer mehr Leute von diesem Hype genervt.

    Ganz furchtbare Band, die demonstriert, dass selbst im Punk-Bereich heutzutage cleveres Marketing deutlich entscheidender ist als clevere Musik. Eine Rumpelkapelle mit Pubertierendenhumor wie hundert andere in Deutschland (die übrigens genauso links eingestellt sind), zwei- bis dreimal zu hoch befördert durch Böhmer- und Bertelsmann. Umso besser, wenn so langsam auch Indie-Rezensenten auf den Trichter kommen, dass hohe Wertungen, bloß weil einem ständig "Achtung, Ironie!" von allen Artworks genau ins Gesicht lacht, eigentlich unangebracht sind. Eine Band, die, wie der Autor richtigerweise andeutet, offenbar eher damit beschäftigt ist, tolle Memes zu produzieren, als tolle Songs. Ich hingegen würde lieber guten Punkrock hören.

    • Vor 7 Stunden

      "würde lieber guten Punkrock hören."
      Welchen?

    • Vor 7 Stunden

      Bin auch sehr gespannt auf "clevere deutsche Punkmusik". Die clevere deutsche Punkmusik, die ich kenne, ist jedenfalls keine Punkmusik.

    • Vor 7 Stunden

      "Die Kommentare hier verdeutlichen, wie gut der Autor mit "Konsens-Punks" den Nagel auf den Kopf getroffen hat."

      Dass die Laut-Muppet-Veranstaltung ad hoc per Handstand und unabhängig von 0 auf 100 einer Meinung sein kann, ist das eindrücklichste Indiz für Punk, das es überhaupt geben kann. Inkonsistenz ist hier Konsens. Das MUSS daher ein gutes Album sein. Mann, Mann, Mann.

    • Vor 7 Stunden

      Man könnte zum Beispiel jedes x-beliebige Release von Spastic Fantastic Records nehmen und fände darauf Musik, die mindestens genauso gut ist wie Team Scheiße, aber keinen künstlichen Hype erfährt.

    • Vor 6 Stunden

      Die auch leider keine gute Produktion erfährt, hör ich gerade. Klingt wie damals im Proberaum.

    • Vor 4 Stunden

      @Kuechenchef yep, das ist albenübergreifendes Stilmittel der Band.
      @Heike: Was definiert den Hype eigentlich als "künstlich"? Dass dir die Musik nicht gefällt? Team Scheisse hat offensichtlich einen Nerv getroffen. Ziemlich sicher nicht musikalisch, sondern im Gesamtpaket. Da niemand Schaden nimmt, verstehe ich das Gejammer nicht so ganz. Hör doch den geilen Undergroundscheiss und lass die Leute "Ich bin Kaufhausdetektiv, ich bin Detektiv bei Karstadt" feiern, wenn sie das feiern möchten.

      Bisschen weniger Szeneprotektionismus, wenn ich bitten darf. Fehlt nur noch, dass wir mit Bernd Begemann diskutieren, wer oder was eigentlich genau zur Hamburger Schule gehört.

    • Vor 39 Minuten

      Düsenjäger, Pascow, Chefdenker, Todeskommando Atomsturm, Turbostaat, Burnout OW... und etliche weitere alte Wegbegleiter, die ganz ohne Meme oder TV Texte zum Zuhören liefern... Love Punk, hate Punks ihr Zombies