laut.de-Kritik
Vom Genuss dieser Platte in Gesellschaft von Haustieren ist abzuraten.
Review von Dani FrommOK, niemand hat einen Sonntagsspaziergang erwartet, wenn er sich mit Cock Rock Disco einlässt. Den kriegt man mit "Illegal Nervous Habits", der zweiten Veröffentlichung auf Jason Forrests Berliner Label, auch nicht geboten. Was der Künstler, der bis zum Einschreiten der Discoqueen als Donna Summer auftrat, unter seine Fittiche nimmt, ist mit Sicherheit eins nicht: Schonkost.
Darauf war ich vorbereitet, trotzdem kam mein erster Eindruck über ein "Heilige Scheiße, ist DAS anstrengend!" nicht wesentlich hinaus. Oldschool-Computerspiele auf Speed! Oder was soll das sein? Der Beipackzettel wirft den nahezu vergessenen Begriff IDM in den Ring. Intelligente Musik? Tanzmusik?? Stressige, abgehackte Maschinensounds erinnern an Geldspielautomaten in Spelunken, in denen man nicht gesehen werden wollte, nachdem diese mit 17 verschiedenen Computerviren infiziert worden sind. Na, danke. Den, der dazu tanzen kann, möchte ich nicht kennen lernen.
Doch dann ... dann bereitet mir Mike Castaneda, der sich hinter Terminal 11 verbirgt, doch tatsächlich eine veritable Überraschung. Beim zweiten Hören tat's schon kaum noch weh. Angefangen, mir Spaß zu machen, hat der dritte Durchgang. Eigentlich doch ein recht harmonischer Einstiegstrack, dieses "Fast Asleep". Mit etwas gutem Willen entdeckt man sogar eine Melodie. Harte Clicks und Cuts in "In Place Of Love" bringen einen allerdings sofort wieder auf den Boden der gruseligen Realität, bevor es allzu gemütlich wird.
"I'm In No Mood For This" scheint sich zu meinem persönlichen Favoriten zu mausern. Die Diskrepanz zwischen wabernden Ambient-Klängen und darüber ausgegossenen getriebenen Rhythmen zeigt besonders klar, was die Seltsamkeit des ganzen Albums ausmacht. Ich erwische mich dabei, mich an Aphex Twin erinnern zu lassen. Und an Brian Eno, um einen weiteren vollkommen übertriebenen Vergleich heranzuziehen. Nein, nein. Deren Größe erreicht Castaneda, der Junge aus Phoenix, Arizona nicht annähernd. Dennoch erstaunlich, was man, gibt man sich selbst und dem Album etwas Zeit, aus "Illegal Nervous Habits" heraushören kann.
Vielleicht möchte ich den, der dazu tanzen kann, doch kennen lernen. Zumal ich den begründeten Verdacht hege, dass man es bei Terminal 11 eventuell mit einem der seltenen Fälle unter elektronischen Musikacts zu tun hat, die live besser funktionieren als aus der Konserve. Wenn Mike Castaneda dabei den Spaß, den er an seinem klickernden, flackernden Irrsinn hat, auch nur teilweise dem Publikum vermittelt, dann könnte das der Killer sein. Zu Cock Rock Disco würde es passen.
Trotzdem eine Warnung am Rande: Keep away from your cat! "Illegal Nervous Habits" veranlasste meine Katze nach minutenlangem verdutzten Verharren vor dem Lautsprecher zu einem Zähne-und-Klauenangriff auf denselben inklusive anschließendem Amoklauf durch die Wohnung. Vom Genuss dieser Platte in der Gesellschaft von Haustieren ist abzuraten.
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