laut.de-Kritik
Der Perfektionismus bleibt bemerkenswert.
Review von Mathias MöllerWer als Musiker im ehrwürdigen Shea Stadium in New York auftreten darf, kann sich getrost ein "Ich habs geschafft" auf den Grabstein meißeln lassen. Immerhin begannen hier schon die Beatles 1965 ihren Triumphzug in den USA. Nun hat Joe Strummer soweit ich weiß keinen Grabstein, und das ihm eigene Understatement ließe einen solchen Epitaph wohl auch nicht zu.
Fakt ist, der 2002 verstorbene Musiker stand mit seinen Clash am 13. Oktober 1982 hier im Vorprogramm für The Who auf der Bühne. Und dass es die Aufnahme dieses Konzerts jetzt auch zu kaufen gibt, ist letzten Endes nur die logische Konsequenz einer Verwertungsstrategie, der auch einstmals große und kritische Punkrockikonen nicht entkommen.
Für The Clash begann 1982 der Abstieg. Der Rauswurf von Drummer Topper Headon entzweite die beiden Protagonisten Strummer und Gitarrist Mick Jones, der neue Schlagzeuger Terry Chimes hielt auch nicht lange durch. "Combat Rock", das kommerziell erfolgreichste Album der Gruppe, wirkte da nur wie ein letztes Aufbäumen nach dem sperrigen "Sandinista!".
Eigentlich keine guten Voraussetzungen für einen spritzigen Auftritt. Doch The Clash wären nicht The Clash, wenn sie den Galgenvögeln nicht den Zeige- und den Mittelfinger zeigten. Und so ist "Live At Shea Stadium" für Fans sowieso eine Pflichtübung, aber auch für alle anderen interessant.
Nach einer knackigen Einführung von The Clashs Teilzeitmanager Kosmo Vinyl heißt Strummer die auf The Who Wartenden im "Casbah Club" willkommen und die Band swingt sich in eine flockige, wenn auch originalgetreue Interpretation von "London Calling". Das schöne: Das Publikum honoriert den Auftritt, man hat hier nicht unbedingt das Gefühl, eine Vorband zu hören.
Gute 50 Minuten von damals sind dokumentiert, das Londoner Quartett bietet einen guten Querschnitt durch seine fünf Alben und hat damals schon einen ordentlichen Hitkatalog zusammen: "London Calling", "The Guns Of Brixton", "Rock The Casbah", "Spanish Bombs" und "Should I Stay Or Should I Go" sind nur die besonders großen Perlen. Zwischendurch lässt Joe seinen schnodderigen Charme spielen und wickelt so das New Yorker Publikum um den Finger.
Aus heutiger Sicht wirkt vielleicht noch der Perfektionismus der Band bemerkenswert, vor allem Chimes scheint schon gut eingespielt. Dass die angeblich lange verschollene Aufnahme dann auch noch die nötige Qualität besitzt, ist ein Glücksfall. Für die Plattenfirma wie für den Fan.
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